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Kolumne Jungswelten, MädchenweltenDie Warze

Deniz Yücel
Kolumne
von Deniz Yücel

Es ist ein Klassiker unter den Jungsvergnügen - Motörhead ist in der Stadt. Und Ö. kommt mit. Ein bisschen verängstigt ist sie dann aber doch, so ganz allein unter Jungs.

W ir müssen die Warze sehen. Die Doppelwarze auf der Wange von Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister. Wäre ich mit anderen Jungs an diesem Dienstagabend in der Arena in Treptow, die Sache wäre klar. Bin ich aber nicht. Vielmehr gehört meine Begleitung Ö. zu einer krassen Minderheit: Frau, obendrein eine, die nicht aussieht wie die Männer (lange Haare, Lederjacke, Motörhead-T-Shirt) und zum ersten Mal auf einem Konzert der lautesten Band der Welt. Motörhead sind ein Jungsding.

Kein Wunder, dass Ö. etwas verängstigt ist. Sie will nicht nach vorne. Dabei sind mir diese breitschultrigen Typen Mitte vierzig, zwischen denen wir jetzt stehen, auch nicht geheuer, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen. ",We are Motörhead and we play rock and roll' wird uns Lemmy begrüßen", brülle ich Ö. noch zu. Super: Bei Motörhead herrscht Ordnung, Bescheid wissen ist einfach. Allerdings weiß ich nicht, ob sie das hört. Sie hat sich Ohrstöpsel angelegt - Mädchen halt.

Es folgen anderthalb Stunden sehr lauter, sehr schmutziger Rock 'n' Roll. Viele neuere Stücke, relativ wenige Klassiker. Klingt ohnehin alles gleich. Man muss ja nicht immer mitsingen. Dafür muss man aufpassen. Auf Ö. Dass die pogotanzenden Jungs sie nicht zu sehr anrempeln. Oder ihre Sicht frei ist. Denn viele Gäste zeichnen mit ausgestreckten Armen das Konzert auf. Problem: Filmen und dabei headbangen. Die Lösung: Sieht bescheuert aus. Wenigstens sind diese hüftsteifen iPhone-Banger in Sachen Toughness keine Konkurrenz.

Ü. ist Redakteur im Ressort Schwerpunkt der taz.

Schon als zweite Zugabe kommt "Motörhead". Schade, aber noch was zum Angeben. Denn ich weiß: Nach diesem Song ist Schluss. Auch keiner der 3.500 glücklichen Besucher verlangt eine weitere Zugabe. Jungs kennen sich eben aus. Und sie lieben es, wenn Ordnung herrscht. Und haben hinterher ein Summen in den Öhren.

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Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
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