Kolumne Ich meld mich: His Bobness auf Abwegen
Bob begleitet uns durch den Dschungel in Mexiko, zu überwucherten Maya-Ruinen, die nur er kennt. Ein geführtes Abenteuer.
N un blickten wir uns doch ein wenig befremdet an. Seit zehn Minuten war Bob im Dschungel verschwunden. Und immer noch nichts zu sehen und zu hören von ihm. Eine kuriose Nummer, dieser Mann: Um die 50, lang, dürr, Khakihemd und Khakishorts und hohe feste Bergschuhe. Holländer war er, lebte seit 20 Jahren in Mexiko und arbeitete als Fremdenführer.
Ein Glücksfall für uns, hatte er gesagt, dass wir ausgerechnet auf ihn gestoßen wären. Keiner kenne Cobá, die alte Maya-Stadt, besser als er. Er erzählte viel und er erzählte hastig, in einem mehrfach gebrochenen, holländisch gefärbten Deutsch mit spanischen und englischen Einsprengseln. Am besten verstand man ihn, wenn er sagte: „Im Endeffekt“. „Im Endeffekt“ sagte er sehr oft. „Also, Fußball bei die Mayas. Im Endeffekt: Alle Players Kopf ab! Sí?“
So eine kleine Gruppe wie unsere – gerade mal zwölf Personen – führte Bob nicht oft. Deshalb hatte er vorgeschlagen, wir sollten uns nicht nur die frei zugänglichen Maya-Tempel ansehen. Er, Bob, würde uns an Plätze führen, die normalerweise kein Tourist zu sehen kriegte. Hinein in den Dschungel, wo noch viel mehr altes Gemäuer liege, überwuchert und versteckt, ihm aber bekannt. Ein kleiner Umweg, mehr nicht.
Natürlich folgten wir Bob. Etwa eine halbe Stunde ging es hinein ins dunkle Grün, auf einem schmalen Trampelpfad, der nur selten als solcher zu erkennen war. Lianen hingen von den Bäumen und spanisches Moos, Mimosen mit zentimeterlangen Dornen hakten sich in den Kleidern fest, ein verrottender Baumstumpf war über und über mit giftgelben Schwämmen besetzt.
Im Gänsemarsch ging es voran, Bob immer munter vorneweg. Er erklärte, erzählte und gestikulierte. Irgendwann aber versiegte sein Redestrom, schließlich schwieg er ganz und hielt plötzlich an: Kurze Rast! Und ohne Erklärung verschwand er im Dschungel.
Bob, Fremdenführer
Aha, Pinkeln, dachten wir. Doch Bob kehrte nicht zurück. Die ersten müden Witzchen kamen auf: „Abenteurer entführt Reisegruppe und fordert Lösegeld.“ Doch das Gelächter klang bald nervös, die Witzchen wurden dünner, dicht blieb nur der Dschungel. Einer von uns begann zu rufen. Keine Antwort. Schon riefen alle. Endlich hörten wir, sehr leise, von sehr weit her ein anderes „Hallo“.
Wir verließen den Pfad und arbeiteten uns über moderndes Holz den schwachen Rufen entgegen. In einer kleinen Lichtung stießen wir auf Bob. Auf seiner Stirn stand Schweiß. „Ahh, da sind Sie dann ja alle“, sagte er unsicher. „Der Wech hat Änderunge gekriecht seit letztes Mal. Is nix drachisch. Ich hab uns ein neues gesucht. Aber Sie sind in jede Fall mal an Plätzches hinkomme, wo noch kein Tourist seine Fuß gesetzt hat. Und“, und plötzlich ging so etwas wie ein schwaches Lächeln über sein Gesicht, „im Endeffekt auch keine Reiseführer mal zuvor.“
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