Kolumne Henningway: Ein Hoch auf den Turnlehrer
Der ideale Sportlehrer arbeitet nicht seinen Lehrplan ab, er ist der Anfixer und er hält den Sport am Laufen. Ein Held des Alltags.
P hysiklehrer klingt viel bedrohlicher als Musiklehrer. Für mich. Für andere kann das genau umgekehrt sein. Kann das wirklich sein? Vor allem hängt es, wie immer, an den Menschen, die Schulfächer durch ihre Persönlichkeiten beleben. Ja, Lehrer sind Menschen. Auch wenn es merkwürdig für Schüler ist, einem von ihnen außerhalb des Schulgeländes zu begegnen.
Sportlehrer trifft man durchaus auch außerhalb der Schule. Zumindest einen Typus davon. Doch dazu gleich mehr. Den Sportlehrer, so zeigt es die Geschichte, gibt es multipel. Es gibt ihn in Feinripp mit langer Bundeswehrhose. Es gibt ihn als Turn-Beau. Und es gibt ihn als Sadisten. Keine Fantasien sind das, vielmehr Beispiele aus meinem Schulleben. Der Sportlehrer in Ripp wurde später bekennender Nazi; der Beau war und ist der „schöne Walter“; und der Sadist ließ das schwächste Glied der Reihe gefühlt stundenlang die anderen Kinder fangen beim Spiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“.
Lehrer arbeiten den Rahmenlehrplan ab. Das ist ihr Job. Dabei nehmen sie wichtige Rollen für Heranwachsende ein, denn diese, was nie vergessen werden darf, sind ganz und gar nicht freiwillig ihr Gegenüber. So erfüllt der Deutschlehrer, nach den Worten des Kabarettisten Sebastian Krämer, die wichtige Funktion, klarzumachen, was nicht zu lesen ist. „Deutschlehrer“, sagt er und dehnt dabei das Deutsche, „wenn ihr wollt, dass die Schüler ein Werk der Wortkunst ein Leben lang im Herzen tragen, haltet es um Gottes willen aus eurem Unterricht raus!“
Die Rolle des Sportlehrers
Der Sportlehrer hat eine andere Rolle. Im schlechtesten aller Fälle ist er schlicht und einfach der Außenseiter im System Schule, sitzt im muffigen Kabuff der Sporthalle und fertigt im Schichtdienst die Kinder im Sportunterricht ab. Ab und an schlabbert er in seiner Arbeitskleidung, den Sportklamotten, zum Erdkundeunterricht, zu seinem, zwinker, „Zweitfach“.
Im besten aller Fälle, und nur der interessiert mich, ist der Sportlehrer der Leuchtturm, der weit aus der Schule hinaus und wieder zurück in diese strahlt. Er stellt wortwörtlich den Sport her und hält ihn am Laufen. Allerorten hin ist er gut vernetzt, zu den benachbarten Bildungsorten, zu den Vereinen, zu den Eltern. Bestenfalls hat er all die Sportarten selber drauf. Das muss aber gar nicht sein.
Henning Harnisch ist ehemaliger Basketballnationalspieler und Vizepräsident des Bundesligisten Alba Berlin. Er schreibt künftig jeden zweiten Donnerstag im Monat für die Printausgabe über die Bereiche Kultur, Sport und Pädagogik.
Denn dieser Sportlehrer arbeitet nicht einen Lehrplan ab, dieser Sportlehrer hat ein Motiv: Er will begeistern! Dieser Sportlehrer liebt Sport und dementsprechend Wettbewerbe, weil er weiß, dass es sie braucht im Sport. Natürlich weiß er auch, dass jede Schulmannschaft, die er betreut, die Grundlage für ein anderes Miteinander mit einer Gruppe von Schülern bedeutet.
Der Anfixer und Hinführer
Jeder kennt ihn hoffentlich und hatte mit ihm zu tun, mit diesem Helden des Sportalltags und der Sportgeschichte, mit diesem Anfixer und Hinführer zu den Sportarten und Vermittler zu den örtlichen Vereinen. Ganze Generationen von Nationalspielern und sonstigen Spielern im Basketball sind, wie ich sauber recherchiert habe, durch ihn, durch eben diesen einen Sportlehrer zum Spiel gekommen. Jede Sportkultur steht und fällt mit genau ihm. Für jeden Einzelnen von ihnen sollte eine Kerze in den Fenstern der Sportverbände brennen. Nicht nur da. Denn dieser Typus Sportlehrer stellt Sportlerbiografien her und sollte dementsprechend dauergelobt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“