piwik no script img

Kolumne HabseligkeitenKeine Tränchen für Kuschel-Knut

Kolumne
von Natalie Tenberg

Der tote Eisbär ist lange nicht so tragisch wie einst die tote Lady Di. Ob mehr Merchandise-Nippes geholfen hätte?

E in eigenartiges Desinteresse hat uns eingeholt. Wahrscheinlich liegt es an diesen Katastrophen, an den Trümmern und Bomben, aber der plötzliche Tod von Eisbär Knut hat unsere Kinder seltsam kalt gelassen. Wie ich hörte, trieb das Tier am Samstag leblos im Wasser seines Geheges. Mir stellten sich beim bloßen Gedanken an diesen riesigen, weißen Kadaver die Nackenhaare auf. Die Tochter, immerhin fast im gleichen Alter wie Knut, reagierte kaum.

Er sei tot, teilten wir ihr am Sonntag mit. Vorsichtig. Wir waren darauf eingerichtet, den halben Tag mit einem heulenden Kind zu verbringen. Mussten wir aber nicht. Stattdessen wurde uns kurz und knapp aufgelistet, welche dem Mädchen jemals bekannte Hunde schon von uns gegangen waren. "Becky und der ganz alte in Italien. Der weiße wuschelige Hund, der unten wohnte und auch der von Paula. Alle sind tot. Nur Lise lebt noch," befand das Kind und meinte damit das Tier im Friseurgeschäft gleich um die Ecke, dem ich an dieser Stelle alles Gute wünschen möchte.

Vielleicht, sagte ich zu meinem Mann, haben wir die Leidenschaft unserer Kinder für unser Stadt-Maskottchen nie geweckt. Sie im Zoo nur zu den Ziegen geschleppt, statt zum Eisbärenfelsen. Warum haben wir ihnen keinen Kuschelknut gekauft? Oder arktische Gutenachtgeschichten vorgelesen? Verlangten die Kinder nicht nach dieser Merchandise-Ware?

taz

NATALIE TENBERG ist tazzwei-Redakteurin.

Bisher nahm ich an, würden alle Kleinen dieser Welt zusammenbrechen, sollte dem ehemals putzigen Bärchen etwas passieren. Ein wenig so, wie alle Frauen in meinem Alter wegen des Todes von Lady Di hysterisch wurden. Ja, ich glaubte fest, dass Knut die Lady Di all derer sei, die gerade noch etwas zu alt fürs Elterngeld waren. Als Diana in Paris umkam, habe ich aus lauter Erinnerung an die große Zuneigung, die ich als Kind für sie empfand, ein Tränchen verdrückt.

Das ist mir natürlich peinlich zuzugeben, aber es stimmt. Ich hatte als Mädchen eine Diana-und-Charles-Tasse, (fast) die gleiche weiße Bluse mit der großen Schleife, in der sie ihre Verlobung verkündete und hin und wieder stoße ich auf ein kleines Büchlein in meinem Regal, das die besten Bilder ihrer Hochzeit zeigt, einen Ausschnitt vom Gabentisch und eine furchtbar niedliche Schwarzweissfotografie der Prinzessin mit ihrem Meerschweinchen "Peanuts". Letzteres wird längst aus dem Leben geschieden sein, Diana-Devotionalien verkaufen sich noch immer.

Man wird älter und weiser, möglicherweise liegt es, wie gesagt, an den ganzen Katastrophen, aber die Nachrichtensender der Welt können so viele Reporter nach London schicken, wie sie wollen - die nächste königliche Hochzeit wird uns nicht halb so sehr ergreifen wie die von 1981 oder gar die Beerdigung von 1997.

Um das Feuer ein wenig zu schüren, sollte ich rasch Kate- und Prinz-William-Pappmasken bestellen und ein Buch, aus dem man Puppen der Brautleute heraustrennt und anzieht. Mache ich aber nicht. Stattdessen suche ich jetzt nach dem hübschesten "Atomkraft? Nein danke!"-Nippes, den ich finden kann. Eine recht schwierige Aufgabe. Noch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • KJ
    klaus jorek

    man sollte doch die tiere nicht zu tiermenschen machen, den kleinen unterschied anerkennen: das tier ist für seine artfremde haltung nicht verantwortlich, der mensch für sein unmenschliches verhalten den tieren gegenüber schon. knut hin, knut her: er hatte leider ein erzwungenes menschtierleben. und dann sagte der pfleger auch noch in die kamera: er ist von uns gegangen. da heulen alle alten damen, vielleicht als erzatzkummer.

    k.j.

  • S
    Steffi

    Vielleicht zeigt das einfach nur, dass Kinder in vielerlei Hinsicht sehr viel klüger und reifer sind, als wir ihnen in typisch erwachsener Arroganz und Selbstherrlichkeit zuzutrauen bereit sind.

     

    Der Umgang mit Haustieren ist ein wertvolles Element im Leben von Kindern, weil es sie mit dem zum Leben gehörenden Element Tod vertraut mancht, das ist doch geradzu eine Binsenweisheit.

    Funktioniert offenbar auch dann prima, wenn es gar nicht die eigenen Haustiere sind.

     

    Schneiden Sie doch mal vorsichtig irgendein anderes Thema an, dass Sie nach spontaner Einschätzung für zu viel zu heikel für Vierjährige halten.

    Vermutlich werden Sie ganz genau so überrascht sein wie beim Thema Knut.

  • ET
    ein trauernder Gast

    Das liegt wohl eher am Fluorid oder Lithium in der Nahrung. Oder sonstiger Chemie. Soll für Gefühlskälte und mangende Empathie verantwortlich sein. Eine Generation unsensibler Menschen mit soziapathischen Zügen wird hier großgezogen - das macht leider keine Hoffnung auf die Zukunft. Aber wenigstens muss man deretwegen dann keine Tränen vergießen. Sie sind es nicht wert.

  • V
    Volino

    Die Eintragungen im Kondolenzbuch des Zoos bezeugen aber schon Traurigkeit unter den Kindern und nur weil "Ein" --> "Ihr" Kind keine Tränen vergießt, müssen nicht zwangsläufig auch andere Kinder nicht traurig sein.

    Abgesehen davon, wenn Ihr Kind ungefähr das Alter des Eisbären hat (so wie Sie schreiben) , dann wird sie den Katastrophen und Bomben kaum Aufmerksamkeit schenken, also würde ich das nicht ursächlich im Zusammenhang sehen. Zu Hunden, die in ihrer ( des Kindes ) unmittelbaren Umgebung gelebt haben, hat sie sicher eine andere emotionale Bindung, wie zu einem Eisbären im Zoo. (Kuschelfaktor)

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Natürlich ist, verglichen mit dem Leid Abertausender Menschen, der tierische Todesfall eine Petitesse. Beides aber zu betrauern, ist menschlich durch und durch. In der entfremdeten Kreatur scheint schließlich unser eigenes Schicksal auf, unser eigenes Heimweh, unser Umstelltsein von fremden Mächten und nicht zuletzt das Scheitern all unserer Versuche, ein künstliches Idyll herbeizwingen zu wollen. Der kalte Koloss hat mit seinen letzten Zügen die Scheinwerfer umgedreht. Sie sind nun auf uns gerichtet:

    http://bit.ly/euYnP7