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Kolumne HabseligkeitenDu bist hässlich, aber unkompliziert

Kolumne
von Natalie Tenberg

Wer seiner Wohnung etwas Grausames antun will, tätowiert sie. Dabei gibt es für jedes lauschige Plätzchen, das Sie sich einrichten, den passenden Slogan.

W as haben Sie an der Wand hängen? Früher hätte ich, um in dieser Kolumne nicht immer das Wort "Wand" zu benutzen, nach dem Behang der Raufasertapete gefragt. Aber die Zeiten ändern sich. Was früher praktisch war, gilt nun als piefig. Ein Opfer dieser Entwicklung ist die Tapete, mit der früher alle Gipskartonständerwände überzogen wurden. Heute pitzeln selbst Mieter, die nicht wissen, wie lange sie bleiben, mit wunden Fingern meterweise Raufaser von Wänden, die danach vor Glätte funkeln.

Weil aber verputzte gestrichene Wände unheimlich empfindlich sind, kann man nicht einfach das "Casablanca"-Filmplakat mit Heftzwecken aufhängen und später verschämt abnehmen. Glatte Wände sehen alles und verzeihen nichts. So hat sich eine weitere Entwicklung aufgetan, die den Tod der Raufaser kompensieren soll.

Im Sommer berichtete ich von Aufklebern, die man überall und ständig sieht, vermutete dahinter einen Coup der internationalen Leimlobby. Den größten, unverschämtesten Coup aber übersah ich: die Verbreitung des Wandtattoos. Ikea hat sie, bei Tchibo lagen sie auch, das Internet ist voll davon, und über Nanu-Nana müssen wir gar nicht sprechen.

Wandtattoos sind große Aufkleber, die Sie überall dort anbringen können, wo es Ihnen passt. Dabei gibt es für jedes lauschige Plätzchen, das Sie sich einzurichten vermögen, den passenden Slogan. Zu den schöneren Motiven der Wandbeklebung zählen – meiner Meinung nach, vielleicht stehen Sie ja auf ganz andere Dinge! – noch die Umrisse von Giraffen und Elefanten für das Kinderzimmer, die meinem erwachsenen Auge schmeicheln.

Bild: taz
NATALIE TENBERG

ist Redakteurin im taz-Ressort "Gesellschaft, Kultur & Medien".

Leider sind die relativ teuer und kein Kind dieser Welt gibt sich mit einem Schatten zufrieden. Kinder fordern stattdessen Filly-Pferde, ein Comic-Nippes-Ramsch-Gebilde, gegen das Prinzessin Lilifee wie europäischer Hochadel wirkt. Als Wandtattoo ist beides möglich, Eltern müssen nun gewieftere Ausreden erfinden als "So etwas wird nicht verkauft!". Vielleicht gehören Sie aber zu den Menschen, die dringend die Skyline ihrer Heimatstadt über das Sofa kleben möchten! – auch wenn die Bochum, Karlsruhe oder Greven-Reckenfeld heißt.

Neben dem Esstisch könnte "Café au lait, Cappucino, Latte macchiato" geschrieben stehen, was Sie betrübt lesen, während Sie Ihren Instantkaffee trinken. Besonders grauselig wird es mit den Wandtattoos im Schlafzimmer. Stellen Sie sich vor, Sie verirren sich in einer fremden Wohnung auf der Suche nach dem Bad ins Schlafzimmer eines Ihnen bekannten Paares. Wenn dort in Schnörkelschrift und riesig groß "Spielwiese" über dem Bett geschrieben steht? Gehen Sie zu Ihren Gastgebern und äußern die Vermutung, dass sich die TV-Einrichtungsmoderatorin Tine Wittler soeben eingeschlichen hat?

Schließen Sie die Tür, finden Sie den Weg zurück ins Wohnzimmer. Sie hat es noch nicht schlimm erwischt. Wo Spielwiese stand, könnte auch ein Tattoo mit einem lebensgroßen kopulierenden Paar hängen. In dem Fall gehen Sie nach Hause. Dort schauen Sie Ihre Raufasertapete an und sagen zufrieden: "Du bist hässlich, aber unkompliziert."

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2 Kommentare

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  • P
    polyphem.os

    @Judith: Einen schönen Gruß aus der Hasestadt (Mein Name ist Hase, ich weiß von nix) an alle Ems- Anrheiner. Wer Tenberg heißt und Hollandrad fährt.. Das beides ist in der Gegend von Reckenfeld ja nicht so ungewöhnlich; aber immerhin bekommen Sie die taz dort schon zum Frühstück. Ich bekam sie immer erst mittags mit der Post. Jetzt bin ich digitaz-Abonnent ;-)

  • J
    Judith

    Da sitzt man nichtsahnend in einem 6000 Seelen Ort und liest gemütlich die Taz zum Frühstück. Bis mir plötzlich beim lesen dieser Kolumne das Brötchen im Hals stecken bleibt. Wer hätte gedacht, dass der Ort Greven-Reckenfeld es einmal in die Taz schafft.

     

    Viele Grüße aus Reckenfeld!