Kolumne Gerüchte: Frauen, die Schuhe kaufen
Was haben Frauenleben und Wanderschuhe gemeinsam? Unzulänglichkeiten. Der "Hanwag Canyon II" ist die Lösung.
F rüher, da besaßen Frauen nur ein Paar Schuhe zum Wandern und als Wetterschutz einen marineblauen Kapuzenanorak. Damals, als es noch kaum Scheidungen und Frauenkarrieren gab, existierten noch keine acht Kategorien an Jacken für draußen und neun Kategorien an Wanderschuhen. So wie bei Globetrotter heute.
Wir suchten an jenem Tag eigentlich nur ein Geschenk für Britts Patenkind Richard, Taschenmesser oder so. Die gibt es am Ende des Globetrotter-Ladens, kurz vor dem Ausgang. Doch bis dahin ist ein weiter Weg.
"Ein leichter Wanderstiefel", sage ich zu Britt, "der fehlt mir noch. Fürs Umland". "Nee also," ermahnt mich meine Freundin. "Meine Tecnica-Wanderschuhe gehen nicht über den Knöchel", setze ich nach, "und die Asolo sind zu klein." Das mit den Schuhen ist verflixt. Sechs Paar Wanderschuhe habe ich schon zu Hause und alle weisen irgendwelche Unzulänglichkeiten auf.
Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.
Die Timberland zum Beispiel sahen klasse aus, bei Schuh-Leiser. Aber schwer sind die Dinger. Und keine Vibram-Sohle. Stellte ich erst nach dem Kauf fest. Dann erstand ich diese rumänischen Winterstiefel, ein No-Name, ein Notkauf in der Schweiz, weil ich die Timberlands zu Hause vergessen hatte. Wobei ich die Timberlands übrigens nur erworben hatte, weil sich die viel zu dünnen Adidas-Stiefel sehr schnell als Fehlkauf entpuppten. Schwamm drüber.
Als ich bei Karstadt Sport die Asolo-Trekkingstiefel fand, mit Vibram-Sohle und preisgünstig, schien das Wanderschuh-Thema abgehakt. Doch leider schustern die italienischen Hersteller recht klein, wie ich bald spürte. Und werden die Füße nicht breiter mit den Jahren? So erwarb ich bei Globetrotter die Tecnica, passten super und eigentlich wollte ich schon immer ein paar niedrige Wanderschuhe. Doch dann geriet ich in eine tiefe Pfütze und musste mit nassen Füßen weiterlaufen. Wanderschuhe, die nicht knöchelhoch sind, taugen einfach nichts.
Gut, dass ich für eine Gletscherwanderung in diesem Sommer ein Paar Bergstiefel brauchte, mit verwindungsfester Sohle und Geröllschutzrand. Meindl Air Revolution 2.0! "Der Schuh mit Aircondition", wie ein Verkäufer bei Karstadt Sport schwärmte. Der "Air-Revolution" war in Hintertux dreimal wandern. Die Sohle ist schon sehr stabil, betonhart könnte man auch sagen. "Ist auf die Dauer vielleicht gar nicht gut fürs Abrollen", das war der entscheidende Satz von Britt.
"Nur kurz probieren", murmele ich. Man versieht sich ja kaum, schon hat man den Hanwag Canyon II Women an den Füßen, ein schöner, weicher Lederwanderstiefel. Man rollt gut darauf ab. Ich stapfe probeweise auf dem schrägen Laufband bergab, das der Verkäufer für mich eilends in Bewegung gesetzt hat. Bergabgehen ist ja immer das Heikelste in Wanderschuhen, wegen des Zehenspielraums.
Britt hat die Schuhabteilung längst hinter sich gelassen, ist weitergezogen, vorbei an den unterarmbelüftbaren Jack-Wolfskin-Doppeljacken, den raschelarmen Bergans-Nusfjord-Softshelljacken, den querelastischen Mammut-Basejump-Hosen und der No-stink-Funktionsunterwäsche. Sie schafft es wirklich, nur das Taschenmesser für Richard zu kaufen und nicht am Ende vielleicht doch den Höhenmesser mit Luftdrucksensor.
"Frauen, die Schuhe kaufen!", kommentiert Christoph zu Hause trocken. Ich finde, meine neuen Hanwag Canyon II machen sich gut im Schuhschrank, neben den anderen Wandertretern und den Stiefeletten und Pumps. Irgendwie will ich gerüstet sein. Und bei den Schuhen, da haben Frauen immer noch eine Alternative. Zum Glück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Zoff zwischen SPD und Grünen
Die Ampel? Das waren wir nicht!
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär