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Kolumne GeräuscheEine Anekdote über Motörhead

Kolumne
von Arno Frank

Wie ich einmal Lemmy Kilmister nicht näher kam, als mir lieb sein konnte - sondern gerade noch nah genug.

Unverwechselbar: Lemmy Kilmister. Bild: dapd

I n der vergangenen Woche habe ich umständehalber und zum vielleicht ersten Mal in meinem Leben ein Konzert von Motörhead verpasst. Wobei "verpasst" es nicht wirklich trifft, ich habe die Sause saumseligerweise sausen lassen. Jaja, die wilden Jahre, vorbei und verweht.

Aber Konzerte von Motörhead sind wie Platten von Motörhead sind wie die U-Bahn - verpasst man eine, nimmt man eben die nächste. Weshalb womöglich jetzt geboten ist, endlich die Geschichte von meiner Begegnung mit Lemmy Kilmister zu erzählen, bevor sie noch aufhört, wahr zu sein. In den wilden Neunzigern war's, als ich das Faktotum in einem Münchner Hotel interviewen durfte. Es ist immer riskant, einem Idol zu begegnen - es könnte sich in einen Menschen verwandeln.

Das Urviech, offenbar verkatert, trug knarzendes Leder, brummte Unverständliches, hing am Flachmann und warf irgendwann zwar nicht den Aschenbecher durch die Fensterscheibe, aber doch die Asche aus dem geöffneten Fenster, wo sie grau in den Hof schneite, das volle Rocker-im-Hotel-Programm© eben - bis der Künstler, nachdem das Tonband gestoppt war, plötzlich abgespannt fragte, ob ich denn nicht jemanden kenne, der wisse, wo es denn in dieser "gottverdammten Stadt" etwas zu Rauchen gibt. Wusste ich. "Okay", brummte der Warzengott und legte mir lakonisch seinen Plan dar: "You pay the drugs, I pay the drinks."

Drei Stunden später kehrte ich, alles andere als drogenfrei, ins Hotel zurück und verfügte mich direkt aufs Zimmer. Im Fahrstuhl dachte ich noch, dass ich dem klassischen Lebensgefühl eines Groupies nie näher kommen würde als jetzt. Tatsächlich erwartete mich Lemmy im Trainingsanzug. Die Kutte hatte er, wie der Versicherungsvertreter seinen Anzug, fein säuberlich gefaltet aufs Bett gelegt. Im Fernsehen spielte Deutschland gegen England.

Arno Frank (36) ist taz-Redakteur. Er kann lesen und schreiben. In seiner Freizeit spielt er gerne Flipper, hört schlechte Musik, schaut sich gute Pornos an und erschlägt manchmal kleine Hunde.

Wir rauchten einen Joint nach dem anderen, und Lemmy bestellte beim Zimmerservice einen Cocktail nach dem anderen. Immer wenn es klopfte, legte Lemmy, rührend besorgt, eine Illustrierte auf die Baustelle, und die Frau vom Zimmerservice ignorierte dafür im Gegenzug den dichter werdenden Duftnebel. So kamen wir rasch ins Plaudern.

Nachdem wir den Zweiten Weltkrieg und die Überdehnung der Ostfront abgehandelt hatten, kamen wir auf Kokain zu sprechen. In seiner Garderobe würde er immer mal wieder Baustaub oder zerstoßenes Bullrichsalz liegen lassen, kicherte Lemmy, aus Jux und Gründen der Denkmalpflege. Auch sei es "fun", bisweilen ein psychedelisches Pink-Floyd-Riff einzustreuen und zu schauen, ob die Fans das Sakrileg auch bemerken.

Je später der Abend, desto onkeliger Lemmy. Ein alter Mann in der Fremde, vom Heimweh angefasst. So komplimentierte er mich endlich hinaus, weil er noch auf den Anruf seiner Freundin aus L. A. wartete, was ich so süß fand wie das Plektron, das er mir zum Abschied schenkte. Noch heute ärgere ich mich, keinen Gipsabdruck von seinem Gemächt gemacht zu haben.

Text: "Dreh das Fernsehen ab, Mutter, es zieht" (Georg Kreisler) Musik: Das "Bumpf" des Schneeballs an der Scheibe.

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