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Kolumne FernsehenPannen und Peinlichkeiten

Offenbar sind deutsche Politiker schlagfertiger und gelassener als ihre US-Kollegen. Oder trügt der Eindruck?

Bild: taz

Bettina Gaus ist Afrika-Kennerin, Buchautorin und politische Korrespondentin der taz

Sind die Amis wirklich blöd? So viele Pannen, wie ihrer politischen Prominenz in einer einzigen Woche passieren, widerfahren deutschen Politikern nicht einmal in einem Jahr. US-Fernsehzuschauer hatten in den letzten Tagen viel zu lachen. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Barack Obama vergaß bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit Hillary Clinton einen der wichtigsten Gründe dafür, dass er überhaupt anwesend war - nämlich um Spenden für seine unterlegene Rivalin einzutreiben, damit die ihre Schulden aus dem Wahlkampf bezahlen kann.

Jedenfalls erweckte Obama den Eindruck, das Thema vergessen zu haben. Seine Rede war vorbei, und er badete bereits in der Menge, als er sich plötzlich doch noch dazu äußerte. Vielleicht war er ja auch gar nicht wirklich vergesslich, sondern wollte mit einem bösen Seitenhieb der einstigen Gegnerin nur seine Missachtung zeigen. Lustig war es allemal.

Noch lustiger war es, als der Bürgerrechtler Jesse Jackson nach einem Interview nicht bemerkte, dass die Mikrofone weiterhin angeschaltet waren. Er machte seinem Herzen Luft. "Herablassend" spreche Obama mit Schwarzen, und dafür wolle er ihm "die Eier abschneiden". Kein netter Plan.

Jesse Jackson musste sich öffentlich entschuldigen, und politische Kommentatoren hatten ein neues Thema: Die beleidigenden Bemerkungen von Jackson seien möglicherweise das Beste gewesen, was Obama passieren konnte. Weil sie deutlich gemacht hätten, dass der Generationswechsel zu den Bürgerrechtlern von einst vollzogen sei und der demokratische Kandidat nichts mehr mit dem "zornigen schwarzen Mann" zu tun habe, vor dem sich so viele Weiße fürchteten.

Es ist ziemlich egal, ob man das für eine kluge Analyse hält oder für Quatsch. Wichtig ist etwas anderes: Pannen und Fehlleistungen haben nicht nur einen hohen Unterhaltungswert - den haben sie sowieso -, sondern sie sind auch aufschlussreich im Hinblick auf die beteiligten Personen und auf das politische Klima insgesamt. Was sagt es denn über die Einschätzung von Barack Obama aus, wenn ihm viele Analytiker nicht zutrauen, wirklich vergesslich gewesen zu sein? Was sagt es über das Verhältnis zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den USA aus, wenn die Furcht mancher Weißer vor schwarzer Wut ein Axiom ist?

Und was sagt es über den republikanischen Präsidentschaftsbewerber John McCain aus, dass ihn eine leicht provozierende Frage auf einer Pressekonferenz gänzlich aus der Fassung brachte und und ihm quälend lange Sekunden die Sprache raubte? Nämlich die Frage, ob er es gerecht fände, dass einige Krankenversicherungen zwar die Kosten für das Potenzmittel Viagra erstatteten, nicht aber für Verhütungsmittel. McCain schwieg. Und schwieg. Und schwieg. Bevor er endlich das sagte, was er sofort hätte sagen können (und dürfen): dass er sich darüber noch keine Gedanken gemacht habe. Souverän wirkte er nicht.

Wirklich schade, dass deutsche Politiker und Politikerinnen fast nie in vergleichbare Situationen geraten. Sie sind offenbar sehr viel schlagfertiger, gelassener und besser informiert als ihre Kolleginnen und Kollegen in den USA. Oder sollte dieser Eindruck trügen?

Könnte es sein, dass es Szenen, die in den Staaten wieder und wieder im Fernsehen gezeigt werden, zwar gibt, wir sie aber gar nicht erst zu sehen bekommen - nicht ein einziges Mal und schon gar nicht in der "Tagesschau"? Weil deutsche Redaktionen es nämlich für unhöflich halten, die Leute, über die sie zu berichten haben, der Peinlichkeit auszusetzen?

Je länger ich politische Fernsehsendungen in den USA verfolge, desto größer werden meine Zweifel. Ob das, was wir hierzulande zu Regeln des politischen Anstands erklärt haben, eigentlich nicht in Wahrheit ein anderer Ausdruck ist für eine journalistische Todsünde: Feigheit.

Fragen zur Feigheit? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Dribbusch über GERÜCHTE

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1 Kommentar

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  • L
    L.A.WOMAN

    Obama hat vergessen, für Hillarys Schulden zu sammeln?

     

    Liebe Frau Gaus, ich habe schon als Jugendliche die einstudierte coole Lässigkeit des US Fernsehens bewundert,

    nein, das war die coole Absicht von Obama, die Wirkung haben Sie selber gut beschrieben.

     

    Was unsere Medienwelt angeht, so beobachte ich eine zunehmende Einseitigkeit der Berichterstattung, auch sind derartige Peinlichkeiten kaum möglich, weil es so gut wie keine Live-Politiksendungen mehr gibt.

     

    Ein Beispiel zur Parteilichkeit:

    In einer Tagesschau der letzten Woche wurden zur AKW-Debatte 3 Pro-Meinungen gebracht und nur 1 Contra-Meinung in Bruchteilen von Sekunden (C. Roth), genauso in den Tagesthemen (dies habe ich per mail an die Redaktion zum Ausdruck gebracht) - keine Reaktion..

     

    Aber am meisten bin ich über den mangelnden Aufschrei zum Interview mit Merkel in der Bams verwundert, hier der Original-Auszug von der Webseite der Regierung:

     

    """Bams: EU-Präsident Barroso schlägt vor, die Not der Bürger mit geringen Einkommen durch Energie-Sozialtarife zu lindern . . .

     

    Merkel: Deutschland hat solche sozialen Regelungen längst. Im Arbeitslosengeld II haben wir die sogenannte Erstattung der Kosten der Unterkunft, wonach alle Heizkosten und Stromrechnungen voll ersetzt werden. Da müssen wir künftig mit steigenden Kosten rechnen. ..........""""

     

    STROMRECHNUNGEN VOLL ERSETZT!!!!

     

    Gerade gestern habe ich mit meinem Sohn telefoniert, der aufgrund seiner MS-Erkrankung (H4) nicht mehr arbeiten kann, und gerade explizit mit den Stromrechnungen zu kämpfen hat, er hat deswegen auch schon mehrfach 'im Dunkeln' gesessen.

    Der war fassungslos, wie Merkel so eine Auskunft geben kann, das ist ein Skandal.

    Und malt aber auch nur ab, wie sehr Merkel mit dem Wohlergehen ihres Volkes befasst ist.

     

    Dies ist keine Peinlichkeit mehr!

    Und wo wird die Reaktion publiziert, die es wohl gibt?

     

    Bis auf eine lapidare Regierungssprecher-Erklärung von wegen Interpretation

    - nichts -