Kolumne Fernsehen: Tatort: Schloss Bellevue
Peter Sodann, Schauspieler und Präsidentschaftskandidat der Linken, hat Krimiverbot. Warum eigentlich?
Na ja, gerade jetzt ist US-Präsident George W. Bush wohl wirklich unbeliebt. Aber insgesamt sei die Bereitschaft zu kritischer Berichterstattung in den USA doch nicht so ausgeprägt wie hier in Deutschland? Fragte jemand während einer Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse.
Bettina Gaus ist Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.
Hm. Man will ja niemandem den Glauben an die Vorzüge des eigenen Umfelds rauben. Aber in diesem Fall ist eine sehr klare Antwort unvermeidlich: Diese Einschätzung ist barer Unfug. Beleg gefällig? Der Schauspieler Peter Sodann wird sich als Kandidat der Linken um das Amt des Bundespräsidenten bewerben. Was ist das - skandalöses Fehlverhalten seinerseits? Offenbar.
Jedenfalls hat die ARD sofort dem Ansinnen der Jungen Union Nordrhein-Westfalen entsprochen und zugesichert, Krimis mit Sodann in der Rolle des Hauptdarstellers nach Möglichkeit im nächsten Jahr nicht auszustrahlen. ARD-Sprecher Peter Meyer dazu: "Die Programmplanungen für 2009 können sicherlich so gestaltet werden, dass nicht ausgerechnet im Umfeld der Bundespräsidentenwahl im Ersten oder in den Dritten eine Wiederholung eines Sodann-,Tatorts' läuft." Beruhigend.
Aber: Warum darf Herr Sodann eigentlich "nicht ausgerechnet im Umfeld der Bundespräsidentenwahl" in seinem Beruf als Schauspieler zu sehen sein? Steht zu befürchten, dass die Parlamentarier der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählen, scharenweise zu Sodann überlaufen, sobald der im Fernsehen einen Mörder gefasst hat?
Diese Beleidigung ihres politischen Verstandes sollten Abgeordnete sich nicht gefallen lassen. Wie wäre die Lage, wenn Sodann ein Schornsteinfeger wäre, er sich also Zutritt zu fremden Wohnungen verschaffen könnte? Müsste er um Beurlaubung von seinem Arbeitsplatz nachsuchen, um kandidieren zu dürfen - um also sicherzustellen, dass ihm die Kontrolle der Schornsteine keine unzulässigen Vorteile verschafft?
Und wie sieht es mit der Beraufsausübung des Amtsinhabers Horst Köhler und der Mitbewerberin Gesine Schwan aus? Dürfen die "ausgerechnet im Umfeld der Bundespräsidentenwahl" auch nicht mehr im deutschen Fernsehen auftreten? Oder besteht die wahre Bedrohung für die Demokratie nur im Auftritt von TV-Kommissaren, nicht aber in Talkshow-Geschwätz?
Es wäre interessant, zu erfahren, welches übergeordnete Prinzip die ARD-Verantwortlichen bei ihrer Entscheidung leitete. Sie selbst scheinen eine Begründung für überflüssig zu halten. Aber die war ja offenbar auch nicht nötig. Nachfragen? Nicht im Protokoll vermerkt.
In der Tagespresse wurde der Schauspieler Sodann für seine Äußerung gegeißelt, er hielte "das, was wir haben, ja nicht für eine Demokratie". Wie kommt er bloß darauf? Man muss den sogenannten Patriotismus in den USA, der oft genug ein schlecht getarnter Nationalismus ist, nicht mögen, um festzustellen: Die Wut, die Häme und - ja, sogar: der Hass, der in Deutschland über jemandem ausgekübelt wird, der sich um ein Amt bewirbt, stieße in den Vereinigten Staaten nur auf Kopfschütteln.
Dort hält man es für ein Verdienst, sich in den Dienst des Staates stellen zu wollen. Und hier? Zu einer "Witzveranstaltung" degradiere Sodann das höchste Amt durch seine Kandidatur. So wie er rede sonst nur die NPD. Ein "unwürdiger Kandidat" sei er. Und: "Würde Peter Sodann über einen Funken Selbstkritik verfügen, müsste er seine Kandidatur sofort zurückgeben."
Warum? Na, ist doch klar. Unter anderem deshalb, weil er chancenlos ist. Ich finde die Bewerbung von Peter Sodann unsinnig. Aber angesichts der Aggression, die allein seine Kandidatur hervorruft, werde ich unsicher. Wäre ich Mitglied der Bundesversammlung: Vielleicht wählte ich ihn doch - einfach aus Trotz. Jetzt jedenfalls freue ich mich auf die Rückkehr in die USA. Und auf die Wiederholungen von Westernfilmen mit Ronald Reagan in der Hauptrolle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe