Kolumne Fernsehen: "Es ist wegen Schmidt, gell?"
Warum diese Verehrung für Greise und adelige Schleimer? Unser Kolumnist im Zwiegespräch mit Deutschland.
H allo, Deutschland.
Hallo, David. Was ist denn jetzt schon wieder?
Du bist seltsam.
Das sagt der Richtige.
Jetzt lenk nicht ab.
Na gut, wie kommst du drauf?
Ich hab am Dienstag "Menschen bei Maischberger" gesehen.
(seufzt) Och bitte, jetzt nicht auch noch du. Es ist wegen Schmidt, gell?
David Denk ist Medienredakteur der taz.
Ja, und ich weiß gar nicht, warum du so komisch reagierst.
Weil es mich langweilt, immer wieder auf den Altkanzler angesprochen zu werden.
Sorry, aber man entkommt ihm eben einfach nicht. Andauernd in der Zeit und dann am Dienstag alleiniger Gast bei Frau Maischberger. Die schien regelrecht gerührt zu sein, dass er überhaupt mit ihr redet. Es wirkte, als hätte sie sich dieses Gespräch zu Weihnachten gewünscht.
Na und? Lass dem alten Mann doch seinen Spaß und der Maischbergerin ihr Idol.
Aber das war schon peinlich, wie sie ganz vorne auf die Sesselkante gerutscht ist und an Schmidts Lippen hing.
Warum denn? Hättest ja wegschalten können.
Hab ich dann auch.
Bravo.
Ey, kein Wunder, dass unser Verhältnis so gestört ist. Du bist genau der Stinkstiefel, für den dich alle halten.
Ich kann auch gehen.
Jaja, immer schön kneifen, wenns unangenehm wird.
Also gut, Sweetie, was denn noch?
Auch durch Wegschalten bin ich den alten Mann einfach nicht losgeworden. Plötzlich war er auch auf Facebook, überall, nur die 23 Sekunden zwar, in denen er Guido Westerwelle beleidigt hat, indem er sich weigerte, dessen Arbeit zu kommentieren, aber dieser Schnipsel vermehrte sich gleich wie … fällt mir jetzt kein Vergleich ein. Kann man da nix machen?
Machen? Was denn?
Na, den Deutschen irgendwie ins Gewissen reden, dass sie weniger auf diese Politrentner abfahren sollen, die für weise gehalten werden, nur weil sie weiße Haare haben. Der Geißler ist auch so einer! Früher Kohls Pitbull, heute sanft wie ein Lamm.
Gönn den alten Männern doch ihren letzten großen Auftritt. Die wollen auch bloß lieb gehabt werden - und in den Himmel kommen natürlich.
Aber diese Verehrung find ich trotzdem spooky. Oder Florian Henckel von Donnersmarck. Zu dessen neuem Film sind gefühlt mehr Interviews als Rezensionen erschienen, weil meine Kollegen sich wohl mal im Glanze eines leibhaftigen Grafen sonnen wollten. Von und zu Guttenberg ganz zu schweigen. Warum bloß fahren so viele derart auf einen greisen Kettenraucher mit Allerweltsnamen und zwei Schleimköpfe mit Adelstitel ab?
Muss was mit meiner Geschichte zu tun haben.
Na vielen Dank! Da wär ich grad noch selbst drauf gekommen.
Warum fragst du dann?
Dachte, dass du dazu mehr zu sagen hast, aber da muss ich mich wohl getäuscht haben.
Ja, das musst du wohl. (Schweigen) David?
Ja.
Eins noch: Entspann dich mal. Ist doch bald Weihnachten.
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