Kolumne Fernsehen: Gnadenhof für das One Trick Pony
Oliver Pochers Late-Night-Show vermissen? Nö. Warum ihr Aus trotzdem beklagenswert ist.
N och genau eine Woche, dann ist die "Oliver Pocher Show" Geschichte. Ich werde sie nicht vermissen. Und trotzdem ist es ein Jammer. Denn damit ist das letzte sogenannte große Nachwuchstalent im deutschen Unterhaltungsfernsehen gescheitert. Unabhängig davon, wie man zu Pochers Humor steht, ist es beklagenswert, dass er sich in knapp eineinhalb Jahren nicht etablieren konnte. Wird es doch die Sat.1-Chefetage dazu bringen, die Experimente vollends einzustellen und noch mehr auf Nummer sicher zu gehen als bisher. Die Rückverpflichtung von Harald Schmidt passt da gut ins Bild.
Wie stark die Marke Pocher durch das Aus seiner Late-Night-Show beschädigt ist, offenbarte in dieser Woche ein Interview mit Sat.1-Chef Andreas Bartl in der Süddeutschen Zeitung. Dem fiel nicht mehr Lob ein als: "Ich halte ihn für einen kreativen Künstler." Liebeserklärungen klingen anders. Bei Sat.1 jedenfalls kann Bartl sich Pocher nicht mehr so recht vorstellen - "aber wir haben ja eine Senderfamilie, ich kann mir ein Engagement bei einem anderen Sender in unserer Gruppe vorstellen." Eine Berliner Boulevardzeitung spekulierte daraufhin "Wird er zu Kabel1 abgeschoben?" - das wäre vom Gnadenhof nicht mehr weit entfernt. Dabei ist Pocher erst 32.
Von 9live und dem Frauenkanal Sixx mal abgesehen - das können selbst Pochers ärgsten Feinde nicht wünschen -, wäre die Alternative ein Engagement bei ProSieben. Doch da hat sich Stefan Raab so breitgemacht, dass neben ihm wohl kein Platz für Pocher bleibt.
Man könnte fast ein bisschen Mitleid mit Pocher bekommen, der nie mit jemandem Mitleid hatte - zumindest nicht vor der Kamera. 2005 beleidigte er als "Wetten, dass ..?"-Außenreporter eine junge Frau mit den Worten "Du siehst ganz schön alt aus für dein Alter" und ließ auch sonst seit seinem Karrierestart als nassforscher Talkgast bei "Bärbel Schäfer" 1998 kaum eine Gelegenheit aus, sich als Flegel vom Dienst zu profilieren. Eine Rolle, die man nicht ewig spielen kann - nur leider wirkt es so, als könnte Pocher, selbst wenn er wollte, keine andere ausfüllen. Er ist ein one trick pony. Frech zu sein, also auch schnell im Kopf, ist seine einzige fernsehrelevante Qualität. Und das ist eben nur ein Teil der Anforderungen an einen Late-Night-Host. Die andere ist ein gewisser Charme im Umgang mit Gästen und Publikum, der Pocher vollkommen abgeht. Deshalb werde ich seine Show nicht vermissen.
DAVID DENK ist Redakteur im Medienressort der taz.
"Dann geht neben ,Wetten, dass ..?' ein weiterer großer Erfolg im deutschen Fernsehen zu Ende", ätzte Harald Schmidt Ende Februar gegen seinen früheren Showpartner bei "Schmidt & Pocher". Das ist weder nett noch lustig - doch Schmidt kann es sich erlauben nachzutreten, gilt er doch längst als Säulenheiliger des deutschen Fernsehens.
Vielleicht sollte Pocher sich mal mit Niels Ruf auf einen Kaffee treffen (am besten mit Schuss): Pochers Sat.1-Late-Night-Vorgänger weiß nämlich auch, wie es sich anfühlt, abserviert zu werden. Und wie schwierig es ist, ins Fernsehen zurückzukehren. Sein Gnadenhof heißt "Looki Looki", eine Webshow, durch die er seit dem Aus der "Niels Ruf Show" 2008 führt.
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