Kolumne Die Lage am Lago: Verbotene Worte
Manche Dinge dürfen die Reporter nicht schreiben. Die Themen, über die diese Verbote verhängt werden, sind, gelinde gesagt, abwegig.
Wir streifen durch das Pressezentrum. Wir wollen hören, worüber die Kollegen sprechen. Wir sind auf der Suche nach dem bösen Wort. Wir wollen wissen: Warum sind die Russen so viel fitter als die anderen Teams? Das fragen nicht nur wir uns. Das böse Wort heißt Doping.
ANDREAS RÜTTENAUER ist Sportredakteur der taz und belagert mit vielen Kollegen der Zunft das deutsche Trainingslager.
Es ist noch früh am Morgen, und die Kollegen unterhalten sich darüber, dass sie - Spaniern und Italienern sei Dank - endlich einmal ausgeschlafen sind. An vielen anderen Tagen erzählen wir uns gegenseitig, welche Medikamente wir benötigen, um in der Früh auf Touren zu kommen. Doch dieses Doping meinen wir nicht. Wir meinen echtes Doping, böses.
Und in der Tat. Das Wort, es fällt. Der Koch der Nationalmannschaft hat uns erzählt, berichtet einer, dass er das Essen für die Spieler nicht mit Tonkabohnen würzt. Die enthielten Coumarin, was toxisch wirken und Dopingfahndern auffallen könnte. Na ja, die heiße Manipulationsgeschichte ist das nicht gerade. Der Kollege, der sie uns erzählt hat, ist stinksauer. Wahrscheinlich hat auch er sich mehr versprochen, als er mit dem Mann geredet hat, der unseren Kickern Pommes-frites-Verbot erteilte. Wir fragten nach.
Es geht um Holger Stromberg. Sternekoch ist der, betreibt einen Edelschuppen, das G-Munich, mit dem er Kundschaft anzieht, die die endgültige Gentrifizierung des einst so echten Glockenbachviertels in München vorantreibt. Der DFB hat uns erlaubt, berichtet der Kollege, mit dem Koch zu sprechen. Und es sei wirklich interessant gewesen, was der Küchenchef gesagt hat. Nur schreiben dürfe er es nicht. Er berichtet weiter und bald wissen wir, warum er sauer ist.
Stromberg hat erzählt, dass er den Spielern, wenn sie spät nachts von ihren Auftritten nach Ascona zurückkehren, gerne einmal Flammkuchen in die Hand drücke. Das kann man so nicht stehen lassen, findet der DFB und gibt das entsprechende Zitat nicht frei. Begründung: Deutsche Nationalspieler essen nicht mit Fingern.
Der Koch hat auch erzählt, dass er vor den Spielen gegen Österreich und Kroatien Grießbrei serviert habe. Das wolle er nun vor dem Halbfinale am Mittwoch wieder tun. Auch das darf der Kollege so nicht schreiben. Begründung: Im DFB-Team gibt es keinen Aberglauben. Wir sind fassungslos. Schmerzen steigen in die Schädel. Hat eventuell jemand Aspirin dabei?
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