Kolumne Die Lage am Lago: Laaaaangweilig!
Oliver Bierhoff hat in sportlicher Hinsicht nichts zu sagen. Stattdessen geißelt er die Texte schweißgebadeter Journalisten im Pressezentrum.
TENERO taz Das ist er. Mitten im Medienzentrum! Das kann doch gar nicht sein. Schau, jetzt bewegt er sich! Die Kollegen sind begeistert, und wir wundern uns. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, steht in der Cafeteria, die für die Pressevertreter im Medienzentrum von Tenero eingerichtet worden ist. Höchstpersönlich. Wahnsinn, der echte Oliver Bierhoff holt sich einen Kaffee am Buffet von diesem DFB-Sponsor mit dem gelben M. Er lächelt zurück, wenn er angelächelt wird, und nickt zurück, wenn er gegrüßt wird. Der ist gar nicht so abgehoben, wie alle immer tun, sagt einer. Wahrscheinlich ist der Kaffee im Teamhotel ungenießbar, vermutet ein anderer. Wir sind uns sicher, dass beide falsch liegen, und wundern uns einfach weiter.
Bierhoff bückt sich über einen Computer, auf den ein Kollege schweißgebadet eindrischt. "Ganz schön langweilig", sagt der Macher im DFB. Macher? Langweilig, allerdings, sagt der Kollege. Er scheint mit seinem Text nicht allzu sehr zufrieden zu sein. Der Manager des Erfolgs schreitet von dannen. 50 Augenpaare verfolgen ihn. Langweilig? Meinte er jetzt wirklich den Text des Kollegen? Oder findet er ganz einfach unsere Arbeit langweilig? Findet er vielleicht Arbeit überhaupt langweilig? Genau. Wir empören uns ein wenig. Was macht der eigentlich, fragen wir uns? Zählt er die Punkte, wenn Philipp Lahm im Garten des Giardino gegen Arne Friedrich Tischtennis spielt? Bedient er die Fernbedienung, wenn sich die Spieler zum gemeinsamen TV-Abend treffen? Legt er sich am Hotelpool auf einen Liegestuhl, um zu testen, ob die Sonneneinstrahlung den Spielern eventuell zu stark sein könnte?
Er hat viel von seinen Erfolgen gesprochen. Schon vor dem Viertelfinale hatte er verkündet, alles laufe prima, und es seien schon über eine Million der neuen Trikots verkauft worden. Ist das wirklich sein Erfolg? Weiß er überhaupt, was das offizielle Dress im Sackdesign kostet? Was macht dieser Mann eigentlich in den Tagen des Turniers, außer im Hotel der Spieler wohnen? Er gibt Pressekonferenzen, in denen er sagt, er könne nichts sagen, weil er in sportlichen Dingen nichts zu sagen habe.
Wir setzen uns an unsere Rechner. Langweilig? Wir haben wenigstens etwas zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!