Kolumne Die Kriegsreporterin: Schmetterlingsschiss auf Kackverlag
Das Jugendblättchen "Spiesser" macht den Bauer-Verlag fertig. Das ist auch gut so – denn der hat offenbar noch nichts vom Recht auf Meinungsäußerung gehört.
H allo, taz-Medienredaktion! Was soll ich sagen?! Kaum wieder auf dem Posten, schon mit einem großen Rätsel der Medienwelt konfrontiert: Wo ist Helmut Kohl geblieben?
Die ARD eröffnete die Übertragung des Abby-Wambach-ist-die-Tollste-das-nützt-aber-leider-nichts-Finale mit Bildern von Deutschlands großem Vorsitzenden Helmut Kohl. So darf man ihn wohl heutzutage nennen, denn wenn ich richtig informiert bin, kann der nur noch sitzen. Will er stehen, fällt er um. Zumindest, wenn Maike nicht die Birke an seiner Seite ist. Er jedenfalls wurde zu Beginn der Übertragung mit Günter Netzer zu seiner Rechten gezeigt, der mit ihm redete, wie ein Kind, das sich zu benehmen verspricht. Danach, und ich meine die gesamte Zeit dieses Warum-können-die-Amis-nicht-treffen?-Debakels, nie wieder Kohl. Merkel, Blatter, die Wulff-Bettina samt Anhang, Frau Neid, Steffi Schenkel Jones - alles, was an Führung aufzutreiben war - immer wieder im Bild. Aber kein Kohl, nirgends. Wahrscheinlich abgeschoben.
Aber wohin? Kurz habe ich gedacht, das ist die neue Rubrik der ARD, "Rätselsport". Die Aufnahmen von der Tribüne sind das Wimmelbild und nun soll man den Kohl darin suchen. Dauert ja noch ewig, bis Thomas Gottschalk mit seinem Unterhaltungsformat kommt, das dann als "Lustig vor acht" für unglaubliche, in der ARD gänzlich unbekannte Furore sorgen wird. Und da wollten die Fernsehmacher dem Publikum schon mal entgegenkommen auf der Zeitvertreib-Ebene. Aber Pustekuchen. Es blieb dabei: Helmut Kohl - einmal im Bild - für immer weg.
berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Abgesehen davon, dass die größte aller Nationen ausgerechnet einem Land unterlegen ist, das ein Monchichi im Tor stehen hat, kann man diese Tage als Tage der Hoffnung verstehen. Denn gleich mehrfach bekommt die Fratze des Bösen einen vor den Latz geknallt, dass es eine Freude ist, zuzuschauen. Das globale Ungeheuer, der Mr. Evil des "Geld-mit-Medien-Machens" Rupert Murdoch ist wunderbar angeschlagen, und zu sehen, wie seinem Gebäude aus Korruption und Bestechung, Durchtriebenheit und Anstandslosigkeit das Dach wegfliegt und den Blick freigibt auf die zahlreichen Gänge, in denen seine hauseigenen Vasallen und die Zulieferer aus Polizei und Politik wuseln, ist mehr als ein Schauspiel. Es setzt die Freude darüber frei, dass ein perfides System zerstört wird und es schlimmen Leuten jetzt richtig an den Arsch geht.
"Spiesser" gegen "Bauer"
Dagegen wirkt der Sieg, den das kleine, süße, an Schüler adressierte Blättchen Spiesser gegen den Bauer-Verlag erzielt hat, wie ein Schmetterlingsschiss. Aber auch hier darf man Freude darüber empfinden, dass das große B nicht mit allem durchkommt. In seinem Vorhaben, den Dresdner Verlag Spiesser GmbH, hervorgegangen aus einem Schülerprojekt, fertigzumachen, wollte Bauer es Spiesser untersagen, mit seiner Auflage von 767.110 Exemplaren und der Zahl der Auslegestellen zu werben. Nun hat ein Gericht die einstweilige Verfügung gegen Spiesser aufgehoben. Und auch, dass ein Spiesser-Leser Bauer online als "Scheiß Bauer-Verlag" bezeichnet hat, wollten die Presseerzeugnishersteller per einstweiliger Verfügung untersagt wissen. Was wohl daran liegt, dass die Publizisten noch nichts vom Recht auf "Meinungsäußerung" gehört haben. Dessen ich mich auch bedienen möchte: Bauer ist piss-scheiß Verlag. Ein Kackverlag, geradezu.
Gut, dass ich zur Not immer noch putzen gehen kann. Denn wer weiß, vielleicht haben auch die Bauersleut Krakenarme und ich bekomme nie wieder einen Auftrag! Jetzt aber wienere ich erst mal meinen Helm und gebe zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!