Kolumne Die Kriegsreporterin: Klatsch hat Substanz
Mainzelhafte Hilfslosigkeit, obskure Bambis, muffige Kekskisten. Aber eins verbittet sich die Autorin: "Wetten, dass ..?"-Witze.
H allo, taz-Medienredaktion!
Wieder mal habe ich aufs falsche Pferd gesetzt! Klatschreporterin hätte ich werden müssen, dann hätte ich wie Katja Kessler bald einen eigenen Blog. Vor ewigen Zeiten schon war das Gerücht an mein Ohr gedrungen, Wagenknecht und Lafontaine würden rummachen. Und was mache ich? Halte mich vornehm zurück. Und nun kommt alles raus und man sieht: Klatsch hat Substanz, Klatsch ist wahrhaftig, Klatsch macht schlank. Aber eines verbitte ich mir: "Wetten, dass ..?"-Witze. Bitte keine "Wetten, dass ..?"- Witze!
Es ist alles viel zu traurig! Deutschland größte Sendung. Deutschlands einzige Sendung, eigentlich. Und noch dazu Europas erfolgreichste Unterhaltungsshow. Diese mainzelhafte Hilflosigkeit, dieses ziellose Rumgestocher im Bottich derer, die schon mal vor einer Kamera standen - das ist alles so würdelos. Dagegen ist das Ende der FDP ein Neuanfang.
berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de
Es ist alles so tragisch! Nachdem Joko und Claas als Moderatoren im Rennen sind, meldet sich die Frau, die sich vorgenommen hatte, weniger zu allem zu sagen. Meckel Miriam twitterte: "Da nimmt man lieber den Nachwuchs ohne Namen, als mal eine Frau zu fragen, die das könnte." Was übersetzt heißt: "Wer ist das? Ich kenne diese Typen nicht." Und: "Warum fragt mich eigentlich keiner?"
Fragen beschäftigen auch mich sehr viel. Etwa: Was meint der Jahreszeiten Verlag mit der Formulierung im Vertrag für freie Journalisten mit "urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen", die abgetreten werden sollen? Deshalb hatte ich vor einer Woche angerufen und mich erkundigt. Der versprochene Rückruf ist leider nicht erfolgt. Aber ich bleibe dran!
Dass Freie aber auch anders können, als Verlagen immer nur mit ihren Forderungen nach fairem Miteinander auf den Geist zu gehen, hat mein kleiner, tapferer Berufsverband Freischreiber am vergangenen Freitag bewiesen und das Redaktionsteam des Wirtschaftsmagazins brand eins für eben diese mit dem "Himmel-Preis" belohnt. Gute Arbeitsbedingungen, angemessene Honorare. Was jetzt noch fehlt, ist ein Eis bei Textabgabe. Aber so weit denkt ja keiner.
Motten-Cookies
Plätzchen statt Eis hat aktuell Meine Familie und ich im Angebot. Fett prangt zur Vorweihnachtszeit auf dem Heft die Titelzeile "Plätzchen aus Omas Schatzkästchen", und man fragt sich, warum die alte Frau darin kein Geschmeide verwahrt, sondern ihre Kekse? Wie lang die da wohl schon drin sind? Ob die - schwer vorstellbar - noch schmecken? Und vor allem, nach was, außer Muff?
Generell mutet es etwa komisch an, dass "Europas meistgelesene Food- und Genusszeitschrift" das Essen aus alten Truhen hervorkramt. Aber nun denn. Was dem Volk der Mosuos in China ihr zehn Jahre eingebuddeltes Schwein, sind den Foodies von Gruner + Jahr ihre Motten-Cookies.
Ähnlich läuft es ja auch im Hause Bambi bzw. Burda. Was dem einen sein sexistischer, gewaltverherrlichender, homophober Spackenrapper, ist dem anderen sein Integrationsbeauftragter. Bushido setzt nach dem Scientologen Tom Cruise, der für das Wagnis ausgezeichnet wurde, einen Widerstandskämpfer zu spielen, die Reihe der obskuren Preisträger konsequent fort.
Ganz erfüllt von meiner neuen Passion, Klatsch zu verbreiten, kann ich kundtun, dass für nächstes Jahr Paul Schäfer für eine posthume Auszeichnung im Gespräch ist. Den Burda-Leuten gefällt, mit welchem Einsatz der Kinderfreund im fernen Chile die deutsche Dorfgemeinschaft "Colonia Dignidad" aufgebaut hat, die ganz nach den Gepflogenheiten von 1933 die gute Tradition lebendig hält. Mit dem Kopftuch winkend zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation