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Kolumne Die Farbe LilaMit den Waffen einer Frau

Kolumne
von Susanne Klingner

Soll Frau sich hochschlafen? Sex als weibliches Handwerkszeug ist ein Eingeständnis der Hilflosigkeit.

I ch blätterte durch den Stern und wurde von einer Überschrift angesprungen: "Frauen sollten sich nach oben schlafen, warum nicht?", fragte die britische Soziologin und Feministin Catherine Hakim. Sie hat das Buch "Erotisches Kapital. Das Geheimnis erfolgreicher Menschen" geschrieben.

Ich fragte mich, wieso denn ein Chef eine Mitarbeiterin befördern sollte, weil sie mit ihm in die Kiste steigt? Vielmehr hat sie doch anschließend das "Betthase" quasi als Goldkettchen um den Hals hängen. Ich rang mich durch, mehr als die Überschrift des Interviews zu lesen, und siehe da, mit dem "Hochschlafen" ist weniger das berufliche als ein soziales Hochschlafen gemeint, sprich: Frau oder Mann sucht sich jemand Bessergestelltes aus, für Sex, Liebe, Ehe usw. und klettert die soziale Leiter ein Stückchen nach oben.

Und Hakims "erotisches Kapital" ist eine Irgendwie-Mischung aus Sex-Appeal, Schönheit und sozialer Attraktivität und kein konkreter Minirock zwecks Sex mit dem Chef. So blieb das Stern-Interview enttäuschend weit hinter der spektakulären Überschrift zurück.

Bild: Stephanie Fuessenich
SUSANNE KLINGNER

ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt als Frau Lila.

Sex als feministisches Handwerkszeug kennt man seit Lysistrata, und die Frauen eines südtürkischen Dorfes machten es ihr nach und damit Schlagzeilen, als sie in den Sexstreik traten, um ihre Männer zu zwingen, einen neuen Brunnen zu graben. Die alte Wasserquelle war ausgetrocknet und die Frauen mussten täglich mehrere Stunden zur nächsten laufen.

Der Sexstreik wirkte, sie bekamen ihren Brunnen. Nur ist Sex als Waffe immer auch das Eingeständnis, keine anderen Waffen zu besitzen. Wer im Job allein auf "erotisches Kapital" setzt, demonstriert gut sichtbar für alle Beteiligten, dass es wohl an anderer Stelle hapert mit dem Kapital.

Im Land des Angela-Merkel-Hosenanzug-Schicks ist es ja für Frauen schon ohne den Willen zum Sex mit Vorgesetzten schwer genug, "Weiblichkeit" und Professionalität gemeinsam mit zur Arbeit zu nehmen. Ein hübsches Kleid an einem hübschen Körper bringt vielleicht Aufmerksamkeit, aber keine Autorität - alles Schöne, Weiche, Leichte hat es in deutschen Management-Etagen schwer. Catherine Hakim sagt es selbst: Dort gebe es "eher hoch qualifizierte, aber unattraktive Bewerberinnen". Weniger attraktive Frauen würden "als maskuliner, entschlussfreudiger, weniger gefühlsbetont angesehen".

Scheint ein ziemlich deutsches Problem zu sein, denn welcher Franzose würde die Durchsetzungsfähigkeit eleganter Frauen wie Christine Lagarde oder Ségolène Royal bezweifeln? Hierzulande sind Medien und politische Gegner ja schon mit der spröden Schönheit einer Sahra Wagenknecht überfordert.

Deutschlands Top-Etagen sind eben immer noch geschlossene Systeme und pflegen ein eintöniges Ideal ihrer Leistungsträger, sie sind vor allem: weiß und männlich. Frauen können sich darin noch so sehr ihres "erotischen Kapitals" ermächtigen, sie würden dadurch ja doch nur "weiblicher, unentschlossener, gefühlsbetonter" wirken.

Nach den bestehenden Spielregeln würde es in Hinblick auf Macht und hohes Einkommen eher etwas nützen, sich mit dem Kajalstift anstatt einen fein geschwungenen Lidstrich einen ordentlichen Schnurrbart aufzumalen, vielleicht noch eine Socke in der Unterhose zu versenken und als Mann zum nächsten Vorstellungsgespräch zu erscheinen.

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4 Kommentare

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  • S
    suswe

    Am Leben ist die gerechte Tatsache, dass irgendwann für beide so genannten Geschlechter der Lack der Sexyness ab ist und dann die inhaltliche und fachliche Substanz zählt, sehr sexy.

  • H
    HSP

    "Frauen können sich darin noch so sehr ihres "erotischen Kapitals" ermächtigen, sie würden dadurch ja doch nur "weiblicher, unentschlossener, gefühlsbetonter" wirken" -

     

    das problem liegt woanders: professionelle fähigkeiten werden vor allem deswegen nicht oder nur unzureichend wahrgenommen, weil mann (sic!) sich statt dessen vor angst in die hosen scheißt! die "sexuelle frau" (im gegensatz zur frau als neutrum) wird von vielen männern als bedrohung wahr gennommen! folge: frau wird ausgebremst mit todesfolge. was tun?

  • H
    heidi

    Ein wunderbar ironischer und gleichzeitig kluger Kommentar.

    "Nur ist Sex als Waffe immer auch das Eingeständnis, keine anderen Waffen zu besitzen. Wer im Job allein auf "erotisches Kapital" setzt, demonstriert gut sichtbar für alle Beteiligten, dass es wohl an anderer Stelle hapert mit dem Kapital."

    Sehr richtig!

  • T
    Toby

    Sex ist eine gewaltiges Werkzeug. Im Guten, wie im Bösen. Sex ist einer der ganz großen Motoren für beinahe alles, was Menschen tun und lassen. Zu sagen, "Wer sexuelle Überlegenheit nutzt, gesteht ein, nichts anderes zu können", ist Mumpitz.

    Wer beim Sex am längeren Hebel sitzt, weil alle ihn begehrenswert finden und damit umzugehen weiß, sitzt nicht selten (sorry) am längeren Hebel.

    Sie könnten bemängeln, daß ein Wettbewerb, in was auch immer, in dem es erlaubt sei, seine sexuelle Attraktivitär einzusetzen, unfair sei.

    Sie könnten auch fragen, warum denn Wettbewerb überhaupt sein müsse.

    Aber zu sagen, eine Frau, die mit Sex gewinne, habe verloren?