Kolumne Deutschenfeindlichkeit: Mir brauche Lichterkedde
Woher bloß dieser Hass? Warum nur diese Verachtung?
W issedse, i han nix gege Mulddikulddi, überhaupt ned, i bin braggdisch liberal. Guggedse, mir g'fällt des halt, wenn's a bissle bunt zugeht. Un die Ausländer, die bringe mit ihrer Lebensfreude erscht Stimmung ins Häusle.
I war ja au scho mit meiner Frau do, do unte in Anatolien un in Thailand un überall war'n mir, und i sag Ihne, so höfliche Kellner finde Sie hier braggdisch nirgends mehr. Die Leut do gebe Ihne ihr letschdes Hemd, weil ihne andere Sache wichtiger sin: die Familie, die Naddur und ebbe die Gaschtfreundschaft. Die sin oifach bescheidener wie mir. Un die habe a Schbiritualität, die wo uns verlore gange isch.
In dem Gebabbel um Integraddsion, do wird au übertriebe. I moin, braggdisch jeder hod a bissle Dregg am Stegge, mir Deudsche waret ja au ned immer so koscher, gell, un mir wolle uns des ned immer uffs Brod schmiere lasse. 's gibt überall solche und solche, do muss ma die Schbreu vum Weiza drenna un mehr uff die Bildung achtgebbe. Un ma muss au amol Fünfe grad sei lasse, un so a bissle Loggerheid, des könne mir scho lerne von denne mit Migraddsionshindergrund.
Deniz Yücel, 37, ist taz-Redakteur.
I han au an Nochbar, Bayram hoißt der, des isch fei a fleißig's Männle, des muss i scho sage, der schafft beim Daimler und lebt ned uff Schdaadskoschde. Un seine Kinder, die gehn alle uffs Gymnasium, un die schwätze ein Deudsch - untadelig, sag ich Ihne. Un die Tochter, die sieht aus, so ogmolt wie a Oschterei dät ich meine Tochter ned rumschbaziere lasse, des isch scho faschd sexischdisch.
Der Bayram, der hod mi un mei Frau oft eiglade g'habt, do hods so oriendalische Baklava gegebbe. Aber oimol, do isch der Bayram mit seiner Frau - wissedse, die hod koi Kobbfduch, die isch braggdisch modern - vor meiner Tür g'schtande un sagt: Grüßgottle, Herr Blum, mir komme zu B'such! Do han i g'sagt: I weiß ja ned, wie des bei euch dahoim isch, aber bei uns, do kannsch du ned oifach uog'meldet klingle. Die sin halt doch andersch wie mir. Des Brinzibb mit der Mülldrennung muss ma denne au immer widder erkläre, un die Prodeschde in Schduagatt ware ihne au schnubbe.
Oimol han i au faschd a Techdelmechdel g'habt mit so eim Mädle mit Migraddsionshindergrund. Des war uff der Fachhochschul, a Iranerin war des, a blitzsaubers Mädle. Aber Geschbräche mit einem Tiefgang, des war ned grad ihre Schbezialidäd.
Die hod immer Pedding un Rambazamba g'wollt, un wenn ich i oimol a Viertele zahlt han, dann hod die g'moint, des sei selbschdverständlich. Do han i g'sagt, dass wir hier Emanzipation habe und sie ihr Disco g'fälligscht selber zahle soll, do hod die mich braggdisch sitzelasse. Des war scho deutschenfeindlich.
Un für so einen Deutschenhass gibts koin Grund. I moin, niemand isch so grundanständig gegenüber denne Ausländer wie mir. So wie's früher Lichterkedde gege Ausländerhass gegebbe hod, so müsst's au Lichterkedde gege Deutschenhass gebe, moinedse ned au?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“