Die Autorin schreibt deutlich, daß die Juden den Drang hatten sich zu assimilieren und darin auch erfolgreich waren. Was sie - auch im folgenden - nicht sieht, ist das die Muslime diesen Drang nicht nur nicht haben sondern einige (wenige?) auch den Drang verspüren uns alle an ihrem Wesen genesen zu lassen.
Sie schreibt: "Hier ist Deutschland der Gemeinschaft der Juden und dem Staat Israel zu besonderer Loyalität verpflichtet. Ich persönlich finde, selbst wo Israel eine teils menschenverachtende Politik betreibt, ist es nicht ausgerechnet an Deutschland, dies zu kritisieren. Es gibt genügend andere Staaten, die diese Aufgabe übernehmen können; wir Deutschen sollten froh sein, dass Israelis überhaupt deutsche Politiker auf ihrem Boden akzeptieren. Wir haben hier die Rolle von jemandem, der einen Mitmenschen bereits einmal aufs Übelste verraten hat. Dieser hat uns (soweit das möglich ist) verziehen; von nun an gilt es, egal was geschieht, zu ihm zu stehen"
Eine Aussage, die sich viele Linke hinter die Ohren schreiben sollten. Dies sollte Mindeststandadard für die Betrachtung des nahen Ostens aus deutscher Sicht sein.
Aber jetzt begibt sie sich aufs Glatteis... "Diese besondere Loyalität aber können wir nicht von jedem Bewohner anderer Erdteile erwarten - nicht einmal das historische Wissen um die Unvergleichbarkeit des Holocaust, wenn es sich um Menschen handelt, die in einem Schwellenland mit gerade mal vier Jahren Schulpflicht leben. Zwar werden in vielen arabischen Ländern uralte deutsche Hetzschriften verbreitet und gelesen, und manche Fanatiker geben sich Ausrottungsfantasien hin. Und doch ist der arabische Antisemitismus historisch und politisch ganz anders gelagert als der deutsche - gerade weil der Holocaust ein im schlimmsten Sinne einzigartiges Verbrechen und Kulminationspunkt einer bestimmten, deutschen (und europäischen) Geschichte ist."
Zunächst könnte man die Frage stellen, wieso Leute aus "einem Schwellenland mit gerade mal vier Jahren Schulpflicht " in die Bundesrepublik kommen.
Aber etwas fragwürdig - insbesondere im Kontext des vorher von mir zitierten Absatzes - ist die Definition von zwei verschiedenen Antisemitismen, von denen einer besser als der andere ist.
Im übrigen können wir von einem Gast und/oder Einwanderer verlangen, daß er über so einen Kulminationspunkt unsere Sicht der Dinge teilt.
"Diese besondere Loyalität aber können wir nicht von jedem Bewohner anderer Erdteile erwarten ..." ... aber von denen, die sich in der Bundesrepublik niederlassen.
HILAL SEZGIN spricht dann von der Gesamtgruppe ihrer Glaubengenossen
"Wir Muslime in Deutschland - verstehen wir uns in dieser Angelegenheit eher als Deutsche oder als Muslime?"
Ich würde mal so sagen: Wenn man sich als Muslim, als Asiat, als Südländer oder auch nur als Araber nach Deutschland begibt, begibt man sich sehenden Auges in eine Hochrisikozone. Man begibt sich in ein Land in dem vor nicht allzu langer Zeit Menschen, die sich von anderen Bewohnern des Landes in kaum sichtbaren Details unterschieden, massiv diskriminiert, vertrieben und mit Hilfe von Wissenschaft, Justiz und Industrie systematisch erfasst und vernichtet worden sind.
HILAL SEZGIN ist der Ansicht, daß das nicht wieder passieren wird. Aber wie viele seiner Glaubensgenossen haben sich diese Frage gestellt oder lesen den Debattenteil der TAZ?
Und davon wiederum entwickeln wie viele die beschriebene Art der Loyalität, die ihnen jede der beiden Arten von Antisemitismus verbietet?
HILAL SEZGIN ist ein insgesamt fortgeschrittener Debattenbeitrag gelungen, der qualitiativ weit über das hinausragt, was wir sonst lesen dürfen. Zu kurz gesprungen ist sie immer noch.
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