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Kolumne Das SchlaglochMänner und kein Ende

Kolumne
von Hilal Sezgin

Leben wir in gefährlichen Zeiten, weil die entmachteten Männer jetzt zurückschlagen?

K ürzlich habe ich die Homepage meiner alten Uni angeschaut und war schockiert. Anfang der Neunzigerjahre habe ich Philosophie an der Wolfgang-Johann-Goethe-Universität studiert, die Hälfte der Zeit wurde "gestreikt", und die andere verbrachten wir mit Moralphilosophie und Politik.

Eine feministische Studentinnengruppe stritt erfolgreich dafür, dass jedes Semester eine Professorin von auswärts eingeladen wurde. Damals lehrten am Fachbereich Philosophie nämlich nur zwei Professorinnen, und so konnte sich die Professorenschaft trotz gewisser Bedenken dem Argument nicht ganz verschließen, dass man ein wenig weibliche Kompetenz importieren müsse, solange bis der Frauenanteil vor Ort gestiegen war. Auf natürliche Weise - Quoten galten als "höchst problematisch", außerdem "regelt sich das von allein".

Wie man heute, zwanzig Jahre später, sieht. Die feministischen Studentinnen sind offensichtlich in andere Fächer abgewandert, und es gibt nur noch eine Professorin. Von acht. Vier weitere (männliche) kooptierte Professoren, zwei Honorarprofessoren, zwei außerplanmäßige Professoren, sieben Privatdozenten. Auch die wissenschaftlichen Assistenten sind beide männlich, erst auf der Ebene der MitarbeiterInnen kommen Frauen ins Spiel.

Bild: taz

Hilal Sezgin lebt als freie Publizistin in der Lüneburger Heide. Im April erscheint ihr zweiter Roman, "Mihriban pfeift auf Gott" (Dumont Verlag).

Bei den StudentInnen mit Hauptfach Philosophie schließlich liegt der Frauenanteil kontinuierlich bei 30 bis 40 Prozent - das steht übrigens nicht auf der Website. Auch der Dekan befand meine diesbezügliche E-Mail-Anfrage nicht der Antwort wert; als ich im Sekretariat anrief, teilte man mir mit, er habe den Sinn meiner Frage nicht ganz verstanden.

An der Berliner Humboldt-Universität sieht es genauso aus (eins zu sieben), und die Münchener Philosophie hat ausschließlich männliche Professoren (acht Stück), macht das auf der Website aber mit dem blumigen Selbstlob wieder wett: "Die Philosophie ist in München wie an kaum einer anderen deutschen Universität durch ein breit gefächertes und gut aufgestelltes Lehrpersonal vertreten."

Für die, denen hier noch kein Missverhältnis aufgefallen ist, also noch einmal die schwer verständliche Frage: Wieso regelt sich der Frauenanteil eben doch nicht "natürlich"? Wieso sind die klassisch männlich konnotierten Fächer und generell die hohen, prestigeträchtigen, gut bezahlten Posten so frauenbeteiligungsresistent?

Das ist die Grundfrage des Feminismus, es gibt zig Antworten darauf, aber keine davon ist wirklich erschöpfend; einmal mit dem Nachdenken angefangen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nur einzelne Mechanismen lassen sich verstehen. Wie zum Beispiel das Prinzip der gläsernen Decke funktioniert, wenn sich erst einmal eine männliche Seilschaft breitgemacht hat.

Oder wie sich jede Frau im Einzelnen, beim Abwägen ihrer persönlichen Perspektiven für die Kindererziehung entscheidet, während der jeweilige Kindesvater Karriere macht. Aber wieso greifen diese Mechanismen so nahtlos ineinander, und wie kam es überhaupt zur Vorrangstellung des männlichen Geschlechts, nahezu weltweit?

Dass dieser Vorrang derzeit gefährdet sei, meint Ute Scheub, taz-Mitbegründerin, Buchautorin und Feministin. In ihrem neuen Buch "Heldendämmerung" schreibt sie, welchen Erdrutsch das auslösen kann. "Heldendämmerung" ist ein dicht geschriebenes, packendes, sogar schwindelerregendes Buch, das einem das Ausmaß kriegerischer, sexueller und sonstiger Gewalt mit neuer Eindringlichkeit vor Augen führt.

Dabei hängt Scheub der "altfeministischen" These an, dass Gewalt vor allem Männergewalt sei - betont aber, dass diese Gewalt Frauen und Männer ruiniere: "Das Patriarchat gefährdet Ihre Gesundheit." Gerade wo die Macht von Männern, ihr Erfolg oder ihr Einfluss auf ihre Familie zu wanken beginne, versuchten sie, ihre Positionen mit Gewalt zu behaupten. So gesehen leben wir in einer gefährlichen Phase, weil Frauen allerorten an den Stühlen der männlichen Entscheider rütteln. Nur eine Art ziviler (Selbst-)Umerziehung kann uns alle davor bewahren, dass sich die Gewaltspirale weiterdreht: "Schöner leben durch Gleichberechtigung."

Aber stimmt denn die Beobachtung, dass die Hegemonie weißer, heterosexueller Männlichkeit gefährdet ist? Gewiss, wir leben in der Ära Obama, wir haben eine Kanzlerin und einen schwulen Außenminister. Doch weitestgehend behauptet die Riege der weißen, heterosexuellen Männer ihre Macht. Obwohl die Vorrangstellung des einen Geschlechts gegenüber dem anderen viel schwerer zu erklären ist als Kolonialismus oder Rassismus.

Bei diesen Herrschaftsformen wird Aggression gegen eine Gruppe Außenstehender ausgeübt; die einen besitzen technologische Vorteile oder mehr Ressourcen. Leicht kann man nachvollziehen, wie sich Spanien Südamerika unterwarf. Männer und Frauen hingegen verfügen über dieselben Kapazitäten. Die vermeintliche Verwundbarkeit der Frau, also die Gebärfähigkeit, bedeutet tatsächlich nicht nur Schwäche, sondern auch Stärke; und das bisschen Muskelkraft, das Männer mehr haben, kommt gegen heutige Waffen längst nicht mehr an.

Zum letzten Mal also: Warum überhaupt? Nur zwei Erklärungen scheinen infrage zu kommen. Erstens: Dass der Ursprung der Ungleichheit in der Zeit des Faustrechts liegt. Damals hätten sich die einen die anderen unterworfen und über Jahrtausende hinweg ein System struktureller und symbolischer Macht aufgebaut - vielleicht in Form eines Irrgartens, dessen Ausweg niemand kennt.

Zweitens: Es gibt kein System, das die einen bevorzugt und die anderen behindert, sondern es besteht tatsächlich Waffengleichheit. Doch das männliche Geschlecht hat ein deutlich stärkeres Motiv, das eigene zu übervorteilen, als umgekehrt. Man wird hier nach anthropologischen und psychologischen Konstanten suchen und irgendwann beim "Gebärneid" landen. Weil sie kompensieren müssten, neigten Männer eher zu Dominanz und Aggression.

Ich gebe zu, in dieser Kürze muten beide Erklärungen allzu simpel an, und ich hätte nichts gegen Widerspruch und alternative Erklärungen. Nur eines scheint doch unstrittig: dass die Quote von eins zu sieben unter deutschen Philosophen mehr als ein dummer Zufall ist.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

9 Kommentare

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  • AB
    Andreas Bühler

    Wie ist der geringe Frauenanteil zu erklären? Erklärungsversuche, man kann sie unter "Die Männer sind böse" zusammenfassen, gibt es ja seitens der Frauenewegten eine ganze Menge, und seit Jahrzehnten werden sie zusammengetragen. Ich finde, es ist an der Zeit, zur Abwechslung diese Theorien auch mal mit Empirie zu untermauern. Sie werden nämlich immer weniger geglaubt.

     

    ”You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time.“ (Abraham Lincoln)

  • C
    Cäsar

    "war nur ein Scherz - hier die Wahrheit: Wir Männer treffen uns jeden Vatertag und besprechen wie wir die Frauen weiter mit einer (natürlich sehr geheimen) Strategie unterdrücken."

     

    Pssst, verrat doch nicht alles ;-)

    Die Patriarchatstheorie kommt gerade aus der Mode. Die Mädels waren kurz davor, uns auf die Schliche zu kommen. Na dann - auf weitere 1000 Jahre Unterdrückung.

  • X
    XRay

    Vielleicht ist es einfach nur so, dass Frauen schlauer sind und sich irgendwann denken, dass

    es viel einfacher ist, sich einen der bösen Diskriminierer zu schnappen und sich von dem ein angenehmes Leben finanzieren zu lassen, als sich in die tägliche Tretmühle zu begeben, um irgendwelchen ignoranten Selbstverwirklicherinnen etwas zu erklären, was die garnicht wissen wollen.

    Die Autorin hätte sich andererseits wohl auch mal fragen können, warum sie selbst nicht Professorin geworden ist, oder war das jetzt eine Art von Bewerbung nach dem Motto: "Ich hätte jetzt mal Lust Professorin zu werden und weil es viel zu wenige Professorinnen gibt, qualifiziert mich das doch wohl"

    Dass Frauen ein Vorrecht auf das Sorgerecht haben, macht es andererseits Frauen auch möglich verschiedene andere Rollen zu wählen.

    - Opfer der Männer, die sich nicht um die Kinder kümmern

    - Opfer einer philosophierten Glasdecke.

    - Opfer der Minderbezahlung von Berufen die keiner braucht

    - ..

    Wenn die Opferrolle also schon vergeben ist, ist dann auch der Schuldige schon gefunden.

    Männer haben ja allerhand erfunden, aber es gibt eines, das müssen wohl Frauen erfunden haben, nämlich die Opferrolle, denn damit kann man Männer motivieren. Die einen braucht frau als Täter(Macher) und die anderen als Helfer(Macher) und lehnt sich locker zurück.

  • HO
    Hans Otto Doppel-Name

    Hat Goethe nochmal geheiratet? Aber Kommas werden ja auch nicht mehr gesetzt, wenn man Orthografie einklagt, von Buchstabendrehern und falschen Verben ganz abgesehen.

  • S
    Studentin

    Ich hoffe, der Artikel ist sauber recherchiert, denn der Name der Universität an der Sie studierten heißt seit den 1930er Jahren Johann Wolfgang Goethe-Universität und nicht Wolfang-Johann-Goethe-Univeristät.

  • FN
    Floda Nashir

    Florian: "Wenn es aber so sonnenklar ist, dass man so entscheiden wuerde, dann ist damit klar, dass es eine genetische Praegugn gibt" Das ist ja nun wirklich Unsinn. Klar ist vielmehr, dass es Vorurteile gibt, denen man üblicherweise folgt.

  • FN
    Floda Nashir

    Ich hatte immer gehofft, dass Frauen ganz einfach nicht auf diese substanzlose selbstdarstellerische Faselei abfahren und zudem schlicht weniger machtgeil sind. Aber anderen Wissenschaftszweigen sieht die Quote durchaus anders aus.

  • FK
    Florian Kren

    Da gefragt wird:

    "Ich gebe zu, in dieser Kürze muten beide Erklärungen allzu simpel an, und ich hätte nichts gegen Widerspruch und alternative Erklärungen. "

     

    Eventuell spielt die unterschiedliche Muskelkraft doch eine Rolle.

    Damit sich evolutionaer ueberhaupt eine unterschiedliche Muskelkraft ergeben kann, muessen unterschiedliche Anforderungen ans Ueberleben vorhanden gewesen sein, sonst haetten sich die Unterschiede in der Muskelkraft nicht entwickelt.

    Da aber das wichtigste Werkzeug und Waffe des Menschen das Gehirn ist, ist es moeglich, dass trotz der Flexibilitaet des menschlichen Gehirns, es im Mittel gewisse Unterschiede in der Gehirnstruktur gibt.

     

    Diese Unterschiede sind keinesfalls durchgehend, also alle Maenner koennen X besser als Frauen, alle Frauen koennen Y besser als Maenner, sondern wenn dann nur so:

    Von 100 Maennern sind a% geeignet um Aufgabe X zu erledigen, von 100 Frauen sind b% geeignet um Aufgabe X zu erledigen und a ist kleiner als b (Im Falle einer Taetigkeit, die Frauen eher besser koennen).

    Bei einer hypothetisch fairen Berwerberauswahl fuer die Taetigkeit X, wuerden dann, wenn nur geeignete Kandidaten ausgewaehlt wuerden, mehr Frauen praesent sein, da es mehr Frauen gibt, die qualifiziert sind.

     

    Ein solcher Effekt koennte Unterschiede ganz oder teilweise erklaeren und wuerde auch wirken, wenn jegliche Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes beseitigt waere.

     

    Um es platter zu formulieren:

    Man muesse 2 "Projekte" erledigen und sich jeweils fuer 10 Azubis entscheiden, die man eine lange Zeit auf die Aufgabe vorbereiten kann. Dabei besteht die eine Gruppe ausschliesslich zufaellig ausgewaehlte Frauen und die andere aus zufaellig ausgewaehlte Maenner. Man weis aber nichts ueber die jeweilige Gruppe ausser, dass es Frauen bzw. Maenner sind.

     

    "Projekt 1" ist sich um einige dutzend Babies, Kleinkinder und Kinder zu kuemmern und zwar so, dass die gut erzogen werden und keine Dachschaden davon tragen.

    "Projekt 2" besteht darin in eine einige hundert Kilometer entfernte Gegend zu gehen, dort vielen Leuten die Koepfe einzuschalgen und moeglichst lebend wieder zurueckzukommen.

     

    Angenommen, es muesste ohne weitere Informationen endgueltig entschieden werden, welche Gruppe man fuer was ausbildet.

    Ich bezweifele, dass es irgendeinen Menschen gibt oder je gab, der nicht sofort entscheiden wuerde, dass die Maennergruppe als Soldaten ausgebildet werden und die Frauen als Erziherinnen. Zwar gibt es Frauen, die gute Soldatinnen sind und Maenner die gute Erzieher sind, aber im allgemeinen wird man so am ehesten geeignete Azubis haben.

     

    Wenn es aber so sonnenklar ist, dass man so entscheiden wuerde, dann ist damit klar, dass es eine genetische Praegugn gibt, die dafuer sorgt, dass Maenner eher zum Koepfe einschlagen taugen als Frauen, waehrend Frauen eher Kinder gut erziehen koennen als Maenner.

     

    Wenn sich Maenner und Frauen aber da unterscheiden, dann ist es moeglich, dass sie sich auch in anderen Aufgabengebieten Unterschiede gibt, die letzlich zu einer unterschiedlichen Anzahl geeigneter Frauen und Maenner fuehren und damit zu einer unterschiedlichen Anzahl Frauen und Maenner, die die Taetigkeit dann jeweils machen.

     

    Warum es bei Philosophie einen Unterschied geben sollte, weis ich nicht, aber moeglich waere es. Man muesste mit anderen Unis und anderen Laendern vergleichen. Sind die Verhaeltnisse dort anders, dann spricht das dafuer, dass es Diskriminierung gibt. Sind sie aehnlich, dann spricht das dafuer, dass das Problem grundlegender Natur ist und zumindest die Fakultaet fuer Philosophie nicht unbedingt diskrimnierend ist.

  • B
    Brutus

    Da wir hier beim Schlagloch sind,

    noch eine Erklärung:

    Männer sind in der Summe einen Tick schneller, frecher, innovativer, verrückter.

     

    ... war nur ein Scherz - hier die Wahrheit: Wir Männer treffen uns jeden Vatertag und besprechen wie wir die Frauen weiter mit einer (natürlich sehr geheimen) Strategie unterdrücken. Leider dürfen nicht mehr soviele Männer zum Vatertag kommen - deswegen haben wir auch nun leider eine Bundeskanzelerin...