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Kolumne BlickeHoffnung für die Barbaren

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Einladung zum Abendessen: Eine Handreichung.

E ssen muss jeder. Zum Essen einladen muss man niemanden. Schon gar nicht nach Hause. Man kann in ein Restaurant gehen. Zu Hause ist es billiger. Ob es auch schöner ist – kommt drauf an.

Ein Reihenhaus an der Peripherie einer arbeitsamen Kleinstadt. Die Wohnung nett, gar nicht Boheme. Die Gastgeber eher leicht in Opposition zur ihrer Heimat. Der Tisch war gedeckt, nicht festlich, aber auch nicht geschmacklos – keine achteckigen Teller und so. Man bekam Wasser, nach der Anreise hatte man ja Durst. Die Gastgeberin servierte dem heimischen Kind vorab Nudeln mit Butter. Der Hausherr rührte die Soße. Es war seine zweite an diesem Tag, denn neben der ersten war ihm eine Weinflasche geplatzt. Er hatte die erste Soße weggeschmissen, weil er nicht völlig hatte ausschließen können, dass sie Scherben enthalten hätte.

Der Hausherr entnahm dem Kühlschrank – immer munter plaudernd – eine Flasche Schaumwein. Eine schöne Flasche. Er ging zum Schrank und nahm die entsprechenden Gläser heraus. Sie waren nicht aus Kristall und hatte keine lustigen Aufdrucke. Er schenkte ein. Die Gläser lagen gut in der Hand. Der Hausherr erzählte nicht, wo der Schaumwein herkam noch wo er ihn erworben noch was er gekostet. Als alle ein volles Glas hatten, stießen wir an und tranken.

Bild: Alexander Janetzko
Ambros Waibel

ist Meinungs- und tazzwei-Redakteur der taz.

Das Getränk war kühl und schmeckte hervorragend. Der Hausherr stand auf, entnahm dem Ofen frische, mit Gemüse belegte Teigfladen, stellte sie auf einem großen Brett auf den Tisch und zerteilte sie handgerecht. Wir griffen zu, aßen und tranken und redeten. Der Hausherr schenkte nach, stand auf und holte eine zweite Flasche. Die tranken wir halb aus. Das Kind hatte fertig gegessen und ging spielen, später sangen wir noch Lieder zusammen. Die Hausherrin zündet sich eine Zigarette an, die Fenster standen offen, draußen fiel warmer Regen. Ich tat es es ihr gleich, nachdem ich meine Finger an der bereitliegenden Serviette gesäubert hatte. Einer einfachen weißen Papierserviette, die neben dem Teller lag.

Der Hausherr räumte die Schaumweingläser ab, die Hausherrin servierte die Nudeln mit der Soße. Der Hausherr kam mit einer Flasche Weißwein und neuen Gläsern. Er sagte, es sei warm, und ob deswegen alle mit Weißwein einverstanden seien. Das war der Fall. Zu und nach den Nudeln gab es mehr vom gleichen Wein, man musste nicht fragen. Wasser gab es eh.

Dann stand der Hausherr auf und brachte eine ganze Salami, rohen Schinken, vier verschiedene Käse und Brot. Und es gab frische Servietten. Danach aßen wir Erdbeeren, die irgendwie verfeinert waren, ich erinnere mich nicht, weil ich mich auf Nachspeisen nicht verstehe. Anschließend tranken wir Kaffee, ohne das man um ihn hätte bitten müssen, dazu den Digestif der Gegend. Den konsumierten wir bis zum Aufbruch. Der Hausherr trank ein Bier. Ich war sehr glücklich, als wir uns zum Abschied alle küssten. Bemerkenswert, dass ich für solche Abende fast immer bis nach Italien fahren muss. Aber die Lombarden stammen von den Langobarden ab. Und die waren ja Deutsche. Es gibt also noch Hoffnung für die Barbaren.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

1 Kommentar

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  • T
    T.V.

    Das ruft Erinnerungen wach. Von Italienern nach Hause zum Essen eingeladen zu werden kann wirklich unvergesslich sein. Danke für den Leseschmaus!