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Kolumne B-NoteEr vertraut Frankreich, sie will Holland

Wie Mächen wetten und wie Jungs einfach es immer wissen.

J ungs wissen

Ü wettet. Ganz schön viel. Die Vorrunde in diversen Varianten – für Polen, gegen Polen, für England, gegen England. Aber immer für Frankreich. "Die sind im erweiterten Favoritenkreis." Schöner würden Sportjournalisten von Nachrichtenagenturen das auch nicht sagen. Aber egal.

An den Tischen im Wettbüro sitzen ein paar Jungs, die die Wettmöglichkeiten studieren, an den Automaten stehen ein paar ältere Herren, die wie automatisiert immer wieder den runden dicken Knopf drücken. Ganz selten klimpern ein paar Münzen. Mit Spiel und Spannung hat das alles wenig zu tun.

Ö. & Ü.

Ö. und Ü. sind im EM-Team der taz.

Ü. wettet sechs Wetten à zehn Euro. Maximal möglicher Gewinn: keine Ahnung, sauviel. "Ich hab in den letzten Jahren immer gut damit verdient", behauptet er. Kurze Pause. "Nur letztes Mal war's nicht so viel, wegen den Scheiß …" Ah ja. Wir stehen am Wetttresen. Ein junger Mann kommt, reicht einen Wettschein zum Kassenwart und sagt: "Ich setze auf Frankreich, die sind Geheimfavorit." Also ist Ü. mit seinem Insiderwissen nicht allein.

Bild: Isabell Lott

sind im EM-Team der taz.

Nächstes Jahr wird er sagen: "Nur wegen den Scheißfranzosen hab ich letztes Jahr nicht gewonnen." Wetten ist schön.

Frauke Böger

Mädchen tippen

Ö grinst. "Wenn du wetten gehst, komm ich mit", sagt sie. "Allein würde ich nie ins Wettbüro gehen, aber mit dir - warum nicht?" Hinterher wird sie ihren Freundinnen erzählen können, dass sie an einem verruchten Ort war: Männerschweiß, Zigarettenqualm, jeden Moment kann die Polizei hereinstürmen oder einer ein Messer ziehen. Und sie mittendrin. "Tipprunden sind Kinderkram", wird sie dann vielleicht sagen.

Was sie nicht sagen wird: Wie eilig sie es hat, aus dieser Lasterhölle herauszukommen. Ihren Wettschein (Wer übersteht die Vorrunde?) füllt sie sekundenschnell aus: nur Erwartbares, kein Risiko. Ein Mädchentipp.

Dafür will sie bei ihrer nächsten Wette (Wer wird Europameister?) nicht mädchenhaft auf Spaniendeutschland setzen, sondern Fachwissen demonstrieren: "Holland! Die Zeit der kleinen Jungs ist jetzt vorbei." Als sie hört, dass ich es mit Frankreich halte, wettet sie, dass Frankreich im Halbfinale rausfliegt. Grinsend hält sie mir den Wettschein vors Gesicht. Ihr reicht es nicht, dass ich verliere, sie will meine Niederlage als ihren Triumph erleben.

Am Abend darauf spielt Holland. Ö. grinst nicht mehr.

Deniz Yücel

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Frauke Böger
Leiterin taz.de (ehem.)
Jahrgang 1982, seit 2009 bei der taz. 2011/2012 Redakteurin für die „berlinfolgen“, die mit dem Grimme Online Award 2012 ausgezeichnet wurden. Von Anfang 2013 bis Juli 2014 leitete sie zusammen mit Julia Niemann das Online-Ressort der taz. Anschließend wechselte sie zu Spiegel Online.
Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
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