Kolumne Alt trifft Neu: "Facebook-Bischof"? Gefällt mir nicht
Bischof Walter Mixa hat nach langer Zeit sein Schweigen gebrochen. Er will sich nun wieder stärker in der Kirche engagieren - vor allem online.
D as Netz hat sich in vieles eingeschrieben, auch in die Geschichte der Gesten. Vom "Gefällt-mir"-Button auf Facebook führt eine Spur zum Beifall, von den Abkürzungen "LOL" und "ROFL" zum Gelächter, Emoticons drücken online Trauer aus. Und ebenfalls als Emoticon, als Cyberstalking, als Forums- oder Chattext gibt es auch: die Drohung.
Eine verfeinerte Ausdrucksform der Online-Drohung ist nun ausgerechnet einem Mann gelungen, der bislang nicht gerade als Netizen oder Digital Native bekannt war: Walter Mixa. Ein Jahr, nachdem herauskam, dass der frühere Augsburger Bischof in seiner Zeit als Stadtpfarrer von Schrobenhausen Kindern eines kirchlichen Betreuungsheimes in den siebziger Jahren Gewalt antat, bricht er nun sein Schweigen.
Dem Donaukurier sagte Mixa, dass er sich künftig wieder stärker in der Kirchenarbeit engagieren wolle. "Mir geht es um die Neuevangelisierung, die Papst Benedikt XVI. als das entscheidende Gegenwarts- und Zukunftsprogramm der Kirche herausgestellt hat", sagte er. "Da möchte ich mich ganz bewusst engagieren, sei es durch persönliche Gespräche oder Gesprächsrunden, sei es durch Vorträge oder durch Einkehrtage. Dazu brauche ich natürlich auch das Vertrauen der Leute."
MAIK SÖHLER, 41, ist Chef vom Dienst bei taz.de. Er zieht neue Netzwerke alten Seilschaften vor.
Als besonders geeignet für seine Mission erachtet Mixa offensichtlich das Internet. Der 69-Jährige will vor allem junge Menschen ansprechen und für den Glauben gewinnen - in sozialen Netzwerken wie Facebook und mit einer eigenen Homepage.
Diese Webseite hat es in sich, obwohl sie noch nicht einmal fertig ist. Am 25. April soll sie mit Inhalt gefüllt werden, bis dahin besteht sie nur aus einer Ankündigung. Einer Ankündigung allerdings, die auch als Drohung aufgefasst werden kann. Ganz in Rot gehalten - Warnung! Fegefeuer!? Linkspartei? - und mit einem wundervollen Schnörkel versehen, der "Bischof" und "Mixa" mit einer Mitra, einer Bischofsmütze, verbindet, wirkt die Seite so einladend wie ein Dornenbusch oder das Abklingbecken eines Atomkraftwerks.
Ein großes "A"
Mixa oder dem Webdesigner, der die Seite gestaltet hat, scheint dies bewusst zu sein. Ein großes "A" versucht gegenzusteuern, will Blickfang sein, drängt sich in den Vordergrund. Warum ein "A"? Steht es für Augsburg? Angeber? Antichrist? Oder soll es ein Tor, eine Pforte symbolisieren, und dahinter wartet der Hirte und führt die verirrten Schäfchen zurück zur Kirche? Oder gleich zu Gott? Aber wären die Schäfchen dann nicht, äh, tot?
Rätsel über Rätsel tun sich auf. Ob es die Netzwerk-Seite des selbsternannten "Facebook-Bischofs" besser macht? Zehn Einträge listet Facebook zu Walter Mixa auf, die meisten beziehen sich ablehnend oder satirisch auf den Mann des Glaubens. Einer fasst die Wikipedia-Angaben zur Person zusammen. Hat er etwa noch kein Profil? Müssen wir auch hier bis zum 25. April warten? Und warum eigentlich immer der 25. April?
25. April - Ostermontag. Der Tag nach der angeblichen Auferstehung von Jesus. Was für eine Symbolik! Was für ein Pathos! So etwas können im Netz nicht viele. Man sieht, das Netz soll Walter Mixa nicht nur zur "Neuevangelisierung" dienen. Im Gegenzug wird er das Internet auch bereichern. Wir freuen uns auf ihn und heißen ihn aufs Herzlichste willkommen. Aber nein, es ist alles viel einfacher: Am 25. April feiert Mixa seinen 70. Geburtstag.
Seine neue Netzpräsenz hat Mixa leider noch nicht zu neuen Erkenntnissen über seine Taten von einst geführt. Dem Donaukurier sagte er über seine Zeit als Stadtpfarrer von Schrobenhausen: "Prügelstrafen sind nicht vorgekommen. Allerdings war es ein Fehler, dass ich nicht gleich auch mögliche Ohrfeigen eingeräumt habe." "Mögliche Ohrfeigen" - auch dafür wird nun eine Netzgeste gesucht. Wie schön, dass mit Mixa ein Fachmann endlich online angekommen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin