piwik no script img

Kolumne Älter werdenIn Würde von uns gehen lassen

Sie glauben, Sie müssten auf ewig die SPD wählen? Dann gehen Sie mal auf eine Ortsvereinssitzung der Sozialdemokraten.

L iebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus links. Das ist Ihnen jetzt schon klar: Dass wir mit unseren Stimmen unsere bald 150 Jahre alte, schon länger auf der Intensivstation liegende bewusstlose Tante SPD auch zur Bundestagswahl 2009 wieder nicht in Würde haben sterben lassen. Denn nur wir - und auch noch die der Generation 60 plus links - sicherten der SPD mit unseren Voten das wegen der umfangreichen Krankenakte (Morbus Steinmeier in Kombination mit einer allgemeinen Linkenunverträglichkeit und einem ausgeprägten Lafontaineabszess im Intimbereich) inzwischen doch fragwürdige Überleben als Volkspartei am Rande der armseligen Zwanzigprozentmarke. Nomen est omen: Alles Matschie.

Doch wir wählen halt immer noch jedes Mal tapfer - Willy mehr Demokratie wagen. Und das seit jetzt fast schon 40 Jahren. Aber Willy lebt hier nicht mehr. Und zugegeben: Ab und zu haben wir auch schon einmal die Grünen gewählt; wegen der Option Rot-Grün. Aber das war ein Irrtum. Und ich meine jetzt nicht die aus humanitären Gründen notwendigen und deshalb moralisch durchaus vertretbaren militärischen Interventionen auf dem Balkan - da waren wir zudem endlich auch einmal auf der richtigen Seite am Werk -, sondern den mörderischen Generalangriff auf den Sozialstaat, also auf die (eigenen) Errungenschaften von Sozialdemokraten und Gewerkschaften. Und das auf Zuruf der Herren Hundt und Ackermann! Bis auf den - revidierbaren - Atomausstiegsbeschluss hat uns Rot-Grün doch nichts gebracht; noch nicht einmal ein Tempolimit auf Autobahnen, wie es überall sonst in Europa üblich ist. Raserei also in jeder Beziehung. Basta.

Danach haben wir (Masochisten) auch in Hessen trotzdem wieder SPD gewählt, wegen Ypsi und ihrer linken Programmatik. Ypsi aber hat dann - falsch beraten und (von Sozialdemokraten) auch verraten - alles grandios versaut. Beim zweiten Anlauf im Januar haben wir aus Protest einmal (und nie wieder) für die Piraten gestimmt. Bekommen haben wir Schwarz-Gelb, respektive (wieder) Roland Koch. Abgesehen davon aber, dass Schwarz-Gelb - selbst mit dem Fleisch gewordenen Hassobjekt der bundesdeutschen Linken auf dem Ministerpräsidentensessel - eigentlich gar nicht so schlimm ist (die Kinder Illegaler dürfen nun sogar die hessischen Schulen besuchen), muss doch endlich einmal Schluss sein mit der ewigen Protektion der SPD durch uns.

privat

Klaus-Peter Klingelschmitt ist Korrespondent der taz in Frankfurt. Das Bild zeigt ihn als Gitarrist der Rockgruppe Dreadful Desire im Jahre 1969.

Es reicht! Die Demoskopen sollen 2013 nicht erneut verkünden dürfen, dass wir es schon wieder gewesen seien, die der SPD dann vielleicht tatsächlich mit Siggi Pop als Nachfolger von August Bebel und Willy Brandt on top of the party und am Ende auch noch als Kanzlerkandidatendarsteller erneut die passive Sterbehilfe verweigert hätten.

Sie glauben, dass Sie dazu nicht (mehr) fähig sind? Dass Sie bis an ihr Lebensende zwanghaft SPD wählen müssen!? Dann gehen Sie doch einfach einmal auf eine Ortsvereinssitzung der SPD. Danach halten Sie eine Baumschule für ein Elitegymnasium. Oder Sie hören sich das alte Zeug von Väterchen Franz noch einmal an: So geht das nicht, sagt der alte Sozialdemokrat und spricht, und spricht, und spricht, nur was ändern, das will er nicht! Oder, dass wir "einen Wackerstein auf seinen rechten Fuß werfen" sollen, damit er endlich mal Luft schnappen muss, der ewige Sozialdemokrat. Alles klar? Aber wen oder was wählen wir denn dann? Blöde Frage. Es gibt doch genug sozialdemokratische Parteien in Deutschland, sagt Guido W. - alle nämlich, außer der FDP von Guido W. natürlich (noch).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • V
    vic

    Ich habe diesen Fehler vom 18. bis zum 37. Lebensjahr gemacht. Viele Jahre nur noch um das Schlimmste zu verhindern (KOhl-Merkel). Hat leider nicht immer funktioniert, aber nun bin ich ohnehin kuriert. Seit 2005 bin ich clean.