piwik no script img

Kolumne Älter werdenDie Zyste Rainer Brüderle

Die FDP siecht in Agonie dahin. Zeit für ein letztes beherztes Nachtreten.

L iebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus (undogmatisch) links. Kabarett im TV ist doch meist Mist. Immer wieder die gleichen Knallchargen. Und die dargebotenen Sketche und Witzchen werden an Humor- und Harmlosigkeit nur noch auf der Wahrheit unterboten.

Löbliche Ausnahme sind die "Mitternachtsspitzen" (WDR). Was Platzhirsch Jürgen Becker und Berufscholeriker Wilfried Schmickler - unsere Alterskameraden - in Köln auf die Kleinkunstbühne im Bahnhof schicken, ist meist erste Sahne; vor allem dann, wenn die Gastgeber selbst losrocken. Der Brüller am vorletzten Sonnabend: Beckers Krankengeschichte, vorgetragen von ihm selbst. Sein Kreuzband sei angerissen. Und der Arzt habe eine Zyste entdeckt. Becker: Das ist ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, so wie Rainer Brüderle!

Exkurs: In der Sendung trat auch der passionierte Antiamerikaner und Bürostuhlmechaniker Hagen Rether (Essen) auf, der nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, den Frührentner bin Laden post mortem für den Friedensnobelpreis im Jubiläumsjahr 2011 vorzuschlagen. Exkurs Ende.

privat 1971

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT ist Korrespondent bei der taz für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

In dieser Kolumne geht es aber gar nicht um Kabarett, sondern eben um ein letztes beherztes Nachtreten gegen eine in Agonie befindliche Partei (FDP) und ihre Protagonisten, deren endgültiges Verschwinden ich mir an dieser Stelle schon vor knapp einem Jahr herbeigewünscht hatte. Jetzt - nach dem Wahldesaster in Bremen rangiert die FDP prozentual auf Augenhöhe mit der NPD - scheint es endlich so weit zu sein.

Vor Bremen aber zuckte die vermeintliche Parteileiche noch. Rainer Zyste Brüderle (Jahrgang: der Untergang) wurde auf dem Bundesparteitag in der Rostocker Pathologie plötzlich (ungern) Fraktionschef im Bundestag und der neue Parteichef Der Shut - der Gelbe, Karl May - in Personalunion Wirtschaftsminister, was Zyste Brüderle vorher (gerne) war.

Das Gesundheitsministerium dagegen, das zuvor Der Shut innehatte, übernahm Der Unbekannte Liberale, während der früheren Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, der Württemberger Henne, der Schnabel mit Uhu hart zugeklebt wurde. Immer dieses Gegacker! Und der Guido, das Exchefchen? Durfte Außenminister bleiben: The Torture Never Stops (Zappa).

Das konnte ja nicht funktionieren. Warum wurde denn Der Shut nicht Außenminister und die Württemberger Henne gackernde Gesundheitsministerin!? Warum Zyste Brüderle nicht Parteichef und Der Unbekannte Liberale Wirtschaftsminister!? Und warum der Guido nicht nichts!? Das hätte er doch am Besten gekonnt. Oder warum hat die Parteispitze nicht gleich Guidos Idee aufgegriffen?

Zyste Brüderle zum Wirtschaftsminister küren, Den Shut zum Gesundheitsminister und den Unbekannten Liberalen zu seinem Staatssekretär. Der Guido selbst wäre in seinem Modell dann wieder Parteivorsitzender und Außenminister geworden. Damit hätte doch niemand gerechnet!! Und alle hätten gesagt: Clever, die FDP! Hä!? Und die Homburger? Wer? DAS Leben 50 plus kann so schön sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • GZ
    Graf Zahl

    @Klingelschmitt:

     

    Werter Lieblingsautor,

     

    was den Link betrifft: my pleasure.

     

    Ansonsten können Sie mir schon zutrauen zu verstehen, was Sie -in allgemeinerem Sinn- Rether unterstellen und welche Stilmittel Sie dabei verwenden.

     

    Der polemische Trick, von jemandem zu behaupten, er werde wohl gleich einen ungeeigneten Kandidaten für den Friedensnobelpreis vorschlagen (satirische Extrapolierung, ja, ja...), ist übrigens nicht mal neu. Als Vertreter der

    Generation 50+ (undogmatisch) links müssten Sie sich erinnern. War schon 1999 ziemlich billig. Und denunziatorisch.

     

    Herzlichst, Ihr Graf Zahl.

  • H
    hto

    "Das ist ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, so wie Rainer Brüderle!"

     

    - ja, über so ein Ränkespiel, gegen ihre "Treuhänder" der leichtfertig "demokratisch" übertragenen Verantwortung, können sich besonders die ebenfalls in Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche höchstgebildeten Schwachmaten freuen, um dann durch verbaler Gewalt soweit befriedigt wieder ihren Schlaf der Gerechten auch im Büro, Klassenraum, Hörsälen, Labors, usw. auszuüben!

     

    Ich hab noch nie über Politsatire lachen können, weil ich immer den Anspruch hatte, daß sich dadurch etwas ändern müßte - doch die Dummheit ist zu sehr systemrational gepflegt!?

  • K
    Klingelschmitt

    Werther Graf Zahl.

     

    Danke für das hübsche Video auch im Namen der Onlineredaktion. Leider haben Sie das Wesen der Satire - die Übertreibung - nicht reflektiert; Ihr Idol Rehter schon. Damit arbeitet er - gut. Und das böse Wort von der "Denunziation" zieht nun überhaupt nicht, denn ich habe doch Rether gar nicht unterstellt, das gesagt zu haben, was Sie, Graf Zahl, monierten und zum Kommentieren der Kolumne veranlasst hat. ER konnte ja gerade noch dran gehindert werden (das ist die satirische Extrapolierung; und jetzt lachen Sie doch auch mal - über sich).

     

    Herzlichst, Ihr Lieblingsautor.

  • DH
    Dieter Horstmann

    Immer drauf auf die FDP! Aber da ist ja noch jemand anderes. Deshalb heute:

     

    Aus der Reihe „Brüderle und Schwesterle“

     

    Angelas Abgesang

     

    Brüderle, komm tanz mit mir.

    Beide Hände reich´ ich Dir.

    Einmal hüh, einmal hott.

    Uns hilft nur noch der liebe Gott,

    nämlich unser ehrenwerter Helmut Kohl.

    Rainerle! Prost! Zum Wohl!

    Leider reichen deine drei Prozent

    aber niemals für ein Happy-End,

    Rainerle, wo brennt´s?

    Du bist doch sonst nicht so für Abstinenz.

  • HG
    Harald Gegenfurtner

    Sehr gut! Was fällt, soll man treten!

  • DP
    Daniel Preissler

    Ich muss gestehen, dass mir Klingelschmitts gewohnte, etwas assige Polemik auf einmal ganz gut gefällt, wenn es gegen die FDP geht.

  • U
    Untertan

    Was macht die Elite, wenn ihr Sammelbecken für besonders elitäre Elitemitglieder, die Keimzelle ihrer Parallelgesellschaft, in der Bedeutungslosigkeit (unter 5%) verschwunden ist?

    Sie tarnen sich als Grüne, oder Schwarze und manchmal Rote!

    Ich würde mir das Nachtreten verkneifen, damit diese Typen weiterhin

    die Hoffnung haben mit ihrem Eliteclub ihre Ziele zu erreichen und dazu

    nur zusammenhalten brauchen. So kann ich sie wenigstens mühelos erkennen.

  • GZ
    Graf Zahl

    Die Denunziation gegen Hagen Rether ist unterste Schublade.

     

    Hier der Link für alle, die wissen wollen, was er wirklich gesagt hat:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=-1Gy8LfaE_s