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Kolumne Älter werdenElvis, der Grieche und der Papst

Wenn Retsina-Fläschchen im Lidl plötzlich dieses Verdammt-lang-her-Gefühl auslösen. Schon damals war ja das deutsch-griechische Verhältnis schwer gestört.

G riechenland 1977. Mit zwei VW-Bussen, einem Käfer und einem Motorrad bereisten Mitglieder der Fachschaft Geschichte der Uni Frankfurt - alles linke Freie Radikale (Spontis) - sechs Wochen lang den Peloponnes. Auch der Kommilitone Papst, ein phlegmatischer Egomane, der jeden Abend abseits von uns Retsina saufenden, wild um sich diskutierenden Salonanarchisten hastig von daheim mitgebrachte Ölsardinen aus Dosen verschlang, war dabei. Mein Freund Holger - zwischen uns grinst mit mal die Zeit / ihr Lachen aus Verlegenheit (Degenhardt) -, ein passionierter Revolutionsapologet, hatte den faulen Kettenraucher, der bei Pannen - die VW-Busse blieben öfter im Sand stecken - gerne auf seine zwei linken Hände verwies, klammheimlich in seinem zerbeulten 59er Bulli (Aufschrift: Büromaschinen Seibert) mitgenommen.

Liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus (undogmatisch) links. Sie werden sich fragen, warum ich Ihnen ausgerechnet jetzt diese Story auftische!? Hä!? Spricht nicht die ganze Welt heute wirr (irr) über Griechenland! Und waren Sie von My Generation damals nicht gleichfalls alle dort!? Jetzt fährt auch Ihnen, die Sie mit mir zusammen älter werden, der Schreck darüber in die Glieder, dass das alles schon so verdammt lang her (BAP) ist. Und Sie realisieren, dass die Jahre danach wie im Sturzflug vergingen. Heul! Um die Wahrheit zu sagen: Mir kam der ganze Griechenlandtrip 77 eigentlich erst wieder hoch (im übertragenen Sinne), als ich bei Lidl (ein Notkauf) diese kleinen Originalflaschen Retsina wiedersah, ein paar davon kaufte und mir das ganze komische geharzte Zeug an einem geselligen Abend durch die Gurgel jagte; eine rein deutsche Trinkgewohnheit (Montaigne, Badereise, 1580).

Das deutsch-griechische Verhältnis war ja schon damals schwer gestört. Im antiken Theater in Epidauros etwa sahen wir uns seinerzeit ein Stück von Euripides an. Ein Greis (Päderast) mit einem gigantischen Holzpenis machte Jagd auf Mädchen und Knaben. Hinter uns saß Alexis Sorbas und kaute Sonnenblumenkerne. Deutschland gut, Beckenbauer, Hitler!, sagte er lächelnd und hielt mir die Tüte hin, in der nur noch Schalen lagen. Und erst die Griechenwirtschaft! In manchen Magazinen gab es nur Seife und Nudeln, in anderen ausschließlich Frühstücksfleisch. Einmal wurde Linsensuppe in Dosen (Importware aus der FRG) zu Mondpreisen offeriert. Doch der Eintopf rettete mich dann tatsächlich vor dem gefürchteten Fetaschock.

Bild: privat 1971
K.-P. KLINGELSCHMITT

ist Korrespondent bei der taz für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

Nachdem sich der Grieche später mit falschen Angaben in die Eurozone geschlichen und unser Geld verbraten hat, nennt er seine Hunde heute Merkel. Aus Dankbarkeit. Der Papst übrigens blieb gegen seinen Willen in Epidauros zurück. Er beichtete erst gegen Mitternacht (dunkel), dass er den Autoschlüssel schon am Nachmittag (hell) verloren hatte. Tage später kauften wir in Korinth die FAZ von vorgestern. Elvis ist tot, lautete die schockierende Schlagzeile. Gleich daneben stand: Angriff auf den Papst. In einem schmutzigen Kafenion trauerten wir kurz - um Elvis: That's Someone You Never Forget.

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