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Kolumne Älter werdenJust a Hippie-Dream

Von der Liebe der Weißen zu Puppenpflanzen und warum Indianerweisheiten schon immer autoaufklebertauglich waren.

D ie jungen Leute reisen manchmal in die Stadt, um etwas zu kaufen. Dann gibt es Streit mit den Alten, weil die Jungen Sachen mitbringen, die unsere Gemeinschaft nicht braucht … Aber es ist nicht schlimm, denn in unserer Kultur wird alles geteilt. Die Sachen verschwinden dann wieder im großen Kreislauf, und meist gehen sie sowieso schnell kaputt."

Liebe AltersgenossInnen der Generation 50 plus (undogmatisch) links. Kennen Sie das Zitat? Nein? Klingt aber doch eigentlich - eingedampft - wie Janis Joplin: Freedoms just another word, for nothing left to lose (Bobby McGee). Also nach Hippie-Ideologie von vorgestern, nach Klassenkampf der Narren (F.-J. Degenhardt, Wallfahrt zum Big Zeppelin). Hä!?

Tatsächlich stammt das Zitat aus einem aktuellen Interview der FAZ mit Davi Kopenawa vom Stamme der isoliert im brasilianischen Regenwald lebenden Yanomami. Die Indianer sind bedroht, weil Goldgräberbanden die Gewässer mit Quecksilber vergiften. Das Trinkwasser wird so verseucht, und die Fische, eine der Nahrungsgrundlagen der Indianer, verenden.

Bild: privat 1971

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT ist taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

Mit naiver Hippie-Ideologie - Even the Cops groove with us (Eric Burdon, Monterey) -, die damals schon etwa Frank Zappa brillant veralberte, hat das alles also nichts zu tun, sondern mit Überlebenskampf pur. Die Amazonasindianer, die sich den Diggern mit ihren Schnellfeuergewehren und Bulldozern mit Pfeil und Bogen entgegenstellen, leben schließlich schon immer so sanft ressourcenschonend und klimaneutral, wie die Hippies das wollten, aber nicht konnten (durften) in der ganz anderen, materialistischen Welt an Rhein, Seine, Themse und Hudson. Deshalb blieb das alles just a Hippie-Dream (Neil Young).

Indianerweisheiten, Sie von My Generation werden sich erinnern, waren allerdings immer schon autoaufklebertauglich: Erst wenn der letzte Baum gefällt usw. …, werdet ihr merken, das man Geld nicht essen kann! Der Yanomami Kopenawa sagte jetzt etwas ganz Ähnliches: Ich denke, dass es sehr traurig ist, dass die Weißen ihre Wälder kaputtmachen und sich dann solche kleinen Puppenpflanzen (Topfpflanzen) in die Häuser holen, um damit zu spielen.

Verklären muss man das primitive Leben der Amazonasindianer nicht - niemand von uns würde es dort auch nur einen Monat lang aushalten -, auch wenn die Linke in Deutschland dazu neigt, Angehörige ethnischer Minderheiten selbst in Europa (Basken, Korsen, die 21-Stuttgarter) per se für bessere Menschen zu halten. Die Indianer haben aber ein Recht darauf, so zu leben, wie sie wollen - in ihrer Welt. Und auch darauf, im Dschungel eines natürlichen Todes zu sterben, wenn ihre Zeit gekommen ist, und nicht auf der Intensivstation. Ihnen das zu garantieren ist Pflichtaufgabe der Weltgemeinschaft. Ihre ist es - auch wenn sie das Wort Pflicht gar nicht kennen -, uns permanent zu mahnen: Wenn die Weißen so weitermachen, werden alle Schutzgeister verschwinden. Dann wird auf der Erde ein Chaos sein. Und der Himmel wird herunterfallen (Kopenawa). Wer von uns älter werdenden Zeitzeuginnen und -zeugen will das schon noch erleben!?

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12 Kommentare

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  • GN
    gestern noch kpk gelesen, heute erfahren

    "Wenn die Weißen so weitermachen, werden alle Schutzgeister verschwinden. Dann wird auf der Erde ein Chaos sein. Und der Himmel wird herunterfallen (Kopenawa). Wer von uns älter werdenden Zeitzeuginnen und -zeugen will das schon noch erleben!?"

     

    Jetzt muss er das nicht mehr erleben!

    Bleibt die Frage: Wollte er das als politischer Mensch und Journalist vielleicht doch noch erleben?

    Er war doch am Wochenende noch beim Castor-Transport als Journalist vor Ort!?!

     

    Schade, dass er heute nicht mehr unter den Lebenden ist!

  • O
    OmmandanteOmOn

    Frei nach Elias Cannetti Prozeß der Zivilisation...

     

    ... sie hatten nur entspannt auf den Horizont zu

     

    achten.

     

    Für die, die wir Sioux nennen, ist das Leben, nur

     

    einzige Flußsitzung, an der sie schauen, wer u. was

     

    vorbei fließt...Für sie sind wir nur " White trash ".

     

    Yes, money doesn`t grow on trees, but babies come

     

    from ladies. DAS sollte UNS HANDELN LASSEN müßen...

     

    O O O

  • SI
    Survival International

    Danke für den interessanten Beitrag. Ich möchte Sie jedoch darauf hinweisen, dass Ausdrücke wie 'primitiv' zur Beschreibung indigener Völker oder ihrer Lebensart nicht nur inkorrekt sonder sogar gefährlich sind.

     

    Es ist inkorrekt, denn indigene Völker weltweit haben einzigartige Überlebensstrategien in rauen Umgebungen entwickelt, viele unserer Grundnahrungsmittel kultiviert und ein einzigartiges und detailliertes Wissen über ihre Umwelt. Sie leben in komplexen, nicht primitiven Gesellschaften.

     

    Gefährlich ist diese Bezeichnung zudem, weil sie negative Stereotypen und die Argumente jener stärkt, die nicht an die Rechte indigener Völker glauben. Damit werden Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen gerechtfertigt. Ich bitte Sie, dies in Zukunft zu berücksichtigen, mehr darüber: http://bit.ly/jmPXCJ

  • A
    anke

    Wow, das klingt gut: Pflichtaufgabe! Und wenn ihre Worte nun mehr wären als lauwarme Luft (und selbst die ist nur dort zu spüren, wo das BLA laut vorgelesen wird), dürften die letzten überlebenden Nativen dieser Erde minimal hoffen. Auf die konkrete Unterstützung eines einzelnen Möchtegern-Links-68-ers beispielsweise, Herr Klingelschmitt. Leider sind sie eher weniger. Die Worte, meine ich.

     

    Arme Yanomami! They just want you to be there. Denn wer sollte ihnen sonst die Sprüche liefern, die sie auf ihre Autos oder an ihre überfüllten Kühlschränke pappen, damit die darin (in den Sprüchen, nicht in den Geräten) enthaltenen Mahnungen das Gewissen ähnlich wenig belasten wie der lokal erzeugte Bio-Joghurt ohne Zuckerzusatz und mit halb so viel Fett. Würde der sich selbst achtende Mensch anderenfalls nicht permanent in die Gefahr geraten, leben zu wollen nach den Maximen, die er zu lieben vorgibt?

     

    Nun – die Schutzgeister, an die wir alle nicht mehr so recht glauben können, werden ohnehin nicht verhindern, dass die Spitzenleute der Holz- und sonstigen Industrie sowie ihre - wen auch immer - führenden Unterstützer aus Politik, Wissenschaft, Religion und sonstiger Kultur uns allen irgendwann den Himmel auf den Kopf fallen lassen. An den Pfosten sägen sie ja schon länger.

     

    Nur gut, dass dann niemand mehr da sein wird, der erkennen kann: Es war nicht alles bloß ein (Alb-)Traum irgendwelcher Hippies! Ich glaube, ich könnte sonst keine Nacht mehr ruhig schlafen - so ganz ohne Alkohol und Drogen...

  • P
    PeaceAlter!

    Erst wenn der letzte Lappen gelöhnt,

    die letzte Mark verjubelt

    und der letzte Groschen gefallen ist,

    werdet ihr merken, dass man

    mit Bäumen nicht bezahlen kann.

  • S
    suswe

    Das man Geld nicht essen kann, werden wir auch noch erleben, wenn wir so weitermachen. Hoffentlich erleben das auch mal die Lebensmittelspekulanten.

  • T
    Toby

    Kluge Gedanken sind nicht dämlich, nur weil sie von der Popindustrie auf Warenformat eingedampft werden.

    Was als "Hippie" zum peinlichen Produkt wurde, war auf einer Menge von Ideen gewachsen, die heute nicht weniger wahr und wichtig sind.

    Und es geht nicht darum, wer die "besseren" Menschen sind. Derartige Idealisierungen sind wieder Produkt gewordene Idee und helfen nicht weiter. Es geht darum, achtsam zu handeln. Und Respektvoll.

     

     

     

    Und bei dem Wege:

    Neil Young ist ein klasse Musiker, den man aber um Gottes Willen nicht zu politischen Themen befragen darf, Janis Joplin war vermutlich nicht mal eine tolle Musikerin und ziemlich gestört und "Bobby McGee" ist aus der Feder eines erklärten Country Musikers.

  • A
    AAA

    "Die Indianer haben aber ein Recht darauf, so zu leben, wie sie wollen - in ihrer Welt." ---> "nur" die Indianer???? ...in ihrer Welt???? Es wird Zeit das wir DIE Welt ändern damit ALLE so leben können wie sie WOLLEN: http://acampadaberlin.blogspot.com/

    It's not just a Hippie Dream!

  • BH
    Banjo Hansen

    So toll ist die Menschheit nun auch wieder nicht, dass sie unbedingt überleben muss.

  • BA
    bitte anonym

    Was immer es auch 'IST' welches das Universum, Sonne, Mond, sterne, die Erden und dessen Lebewesen schuf, die sich durch 'selbsternaehrung' antreiben um zu wachsen und gedeihen, fortzubewegen UND sich fortzupflanzen, hat sicherlich einen Grund fuer alles, und einen Sinn dahinter = das ist Gottesglaube

     

    - altes Indianer Sprichwort ( oder Goethe )

  • JZ
    jan z. volens

    Wenn ein Mensch alt wird, in den Urwaldethnien, dann wird er als Dorftrottel belaestigt und vernachlaessigt. Kinder von unverheirateten Frauen, Zwillinge, und mit Geburtsfehler - werden sofort nach der Geburt lebend begraben. Kinder welche sich nicht normal entwickeln - werden ausgesetzt oder verbrannt. Die Yanomani haben sich jetzt grosse Rinderherden zugelegt (20,000 in Roraima). Im Amazonasraum brennen manche Indianer die Baeume um Exportlandwirtschaft zu betreiben, und Indianer graben auch nach Gold und beteiligen sich am Drogenschmugel. Die "Urwaldindianer" haben mehr direkten taeglichen Kontakt mit integrierten Indianern, oder Mestizen, und seltener mit wirklichen "Weissen". Was die Indianer selber unter sich dokumentieren, siehe "Sanda Terena breaking the silence" und "Hakani levend begraven".

  • I
    Ilmtalkelly

    Wir haben nur eine Chance, diese Welt weiter mit uns zu bevölkern, wenn wir ähnlich nachhaltig und materiell spärlich zu leben bereit sind wie Yanomami. Wie das geht, vorallem bei nötiger Enthaltsamkeit qualitativ hochwertig zu leben, verschwindet teilweise mit den letzten Ureinwohnern.

    Wir bringen ihnen nicht die Kultur sondern den Untergang ihrer Existenz, um unseren weltverzehrenden Lebenswandel fortzuführen.

    spannder Artikel von KPK, der auch zur Entlarvung der Alibi- Biokonsumenten mit Ferienflug-Urlaubsanspruch und

    gelegentlichem Spendenablasshandel an die Reste eingestampfter Urweltkulturen beiträgt.