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Kolumbien hält den Atem an

■ Gespannte Ruhe in Kolumbien nach „Kriegserklärung“ der Mafia / Festnahmen bei Militäraktionen / Regierung will Antidrogenkrieg trotz Drohungen fortsetzen

Bogota (dpa) - In Kolumbien herrschte am Wochenende gespannte Ruhe. Vor allem in der Hauptstadt Bogota zeigte sich deutliche Nervosität unter den Menschen auf den Straßen, nachdem die Drogen-Mafia am Vortage die Wiederaufnahme ihres im vergangenen Januar unterbrochenen „Krieges“ gegen die Regierung angekündigt hatte.

In einem mehreren kolumbianischen Medien zugespielten Kommunique hatte die Mafia gedroht, für jeden künftig an die USA ausgelieferten Kokain-Schmuggler eine Fünf-Tonnen-Bombe in Wohnvierteln der Hauptstadt zu zünden. Das gleiche werde auch geschehen, wenn zwei am vergangenen Mittwoch festgenommene Mafia-Mitglieder nicht unverzüglich freigelassen würden.

Das Kommunique war von der Gruppe „Los Extraditables“ (Die Auszuliefernden) unterzeichnet, die als bewaffneter Arm des sogenannten Medellin-Kartells gilt, der größten Drogenschmuggel-Organisation der Welt.

Nach Ansicht von Beobachtern in Bogota ist die neue „Kriegserklärung“ der Mafia eine Reaktion auf den Beschluß der Regierung, die Ortschaft Envigado bei Medellin rund 250 Kilometer nordwestlich von Bogota unter die Kontrolle einer militärischen Eliteeinheit zu stellen. Envigado gilt als wichtigste Bastion des Chefs des Medellin-Kartells, des früheren Parlamentariers Pablo Escobar, der dort unter den Behörden und den lokalen Geschäftsleuten über ein Netz schützender Verbindungen verfügen soll.

In Envigado wurden am Mittwoch bei einer Militäraktion Freddy Lopez und Jose Retavista festgenommen, die nach dem Mafia-Kommunique offenbar wichtige Mitglieder des Drogen -Kartells sind. „Wenn die in Envigado arretierten Bürger nicht bei ihren Familien wieder auftauchen, werden wir als Repressalie eine Fünf-Tonnen-Bombe in einem der wichtigsten Wohnviertel der Oligarchie von Bogota legen“, hieß es in der Botschaft.

Auf dem Höhepunkt des sogenannten „Drogen-Krieges“ in Kolumbien hatte die Mafia im vergangenen Dezember eine Auto -Bombe mit einer Tonne Dynamit vor dem Gebäude der Geheimpolizei in Bogota gezündet, wobei über 60 Menschen ums Leben kamen. Insgesamt starben über 500 Menschen bei einer fünf Monate währenden Attentatswelle, die im vergangenen Januar mit einem überraschenden „Friedensangebot“ der Drogen -Barone endete. Die Regierung des liberalen Präsidenten Virgilio Barco ging jedoch nicht auf die Forderung der Mafia ein, über eine Amnestie für ihre Chefs zu verhandeln.

Regierungssprecher in Bogota betonten am Sonntag, daß der Feldzug gegen die Drogen-Mafia, die mit dem Kokain-Schmuggel rund 25 Milliarden Dollar im Jahr umsetzen soll, trotz der neuen Drohungen unvermindert weitergehen werde. Es sei auch nicht an eine Einstellung der Auslieferungen an die USA gedacht, die Präsident Barco im August vergangenen Jahres nach der Ermordnung eines Spitzenpolitikers durch ein Mafia -Kommando angeordnet hatte. Bisher sind 15 mutmaßliche Drogen-Banditen der amerikanischen Justiz übergeben worden.

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