■ Kolumbien: Die Zivilgesellschaft drängt Kriegstreiber zum Frieden: Hoffnungsschimmer
Das jüngste Wetteifern der kolumbianischen Guerillaverbände Farc und ELN um einen Einstieg in Friedensgespräche hat durch das „Abkommen von Himmelspforten“ einen neuen Höhepunkt erfahren: Drei Tage lang hatten ELN-Comandantes und VertreterInnen von Establishment, Gewerkschaften und Basisgruppen überlegt, wie Regierung und Armee wirkungsvoll in den Prozeß einzubinden seien. Inmitten des seit Jahrzehnten schwelenden Mehrfrontenkriegs zwischen Guerilla, Armee, Paramilitärs und Drogenmafia scheint der Zeitpunkt für Verhandlungen günstig. Der Abgang des diskreditierten Präsidenten Ernesto Samper steht bevor, und in der kolumbianischen Gesellschaft gibt es einen breiten Konsens gegen Krieg und Terror.
ELN und Farc kontrollieren mit ihren 20.000 Kämpfern etwa 40 Prozent des kolumbianischen Territoriums. Besonders die mächtigeren Farc, die sich teilweise aus der Besteuerung des Drogenhandels finanzieren, haben der Armee immer wieder empfindliche Schlappen zugefügt – zuletzt im März, als eine komplette Eliteeinheit aufgerieben wurde. Durch seinen Blitzbesuch beim legendären Farc-Chef „Tirofijo“ hat der neue Präsident Pastrana deutlich gemacht, daß er die Führung des Friedensprozesses übernehmen will. Doch in den letzten 16 Jahren hat sich wiederholt gezeigt, daß die Macht letztlich aus den Gewehrläufen der kolumbianischen Streitkräfte und ihrer paramilitärischen Helfer kommt. Eine Einigung mit den wichtigsten Rebellengruppen wurde regelmäßig sabotiert.
Hier liegt der eigentliche Knackpunkt: Ist die kolumbianische Oligarchie zu strukturellen Veränderungen bereit, etwa einer Agrarreform, die diesen Namen verdient? In den letzten Jahren sind mit der gezielten Vertreibung von Hunderttausenden von Menschen Fakten geschaffen worden, die sich nicht über Nacht rückgangig machen lassen. Und auch die von Pastrana angekündigte Austeritätspolitik dürfte eher auf Kosten der armen Bevölkerungsmehrheit gehen.
Anlaß zu Hoffnungen gibt die aktive Rolle der Zivilgesellschaft vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen: Zehn Millionen KolumbianerInnen stimmten Ende 1997 für das „Friedensmandat“; Zehntausende beteiligen sich an Demonstrationen gegen Entführungen von links und „Verschwindenlassen“ von rechts. In Himmelspforten erreichten ihre Sprecher zum erstenmal einseitige Zugeständnisse der Guerilla, die zur „Humanisierung“ des Krieges führen sollen. Jetzt ist die Gegenseite am Zug. Gerhard Dilge
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