Kolumbianischer Bürgerkrieg: Revolution jetzt ohne Geiselnahmen
Die kolumbianischen FARC-Rebellen wollen in Zukunft auf Entführungen von Zivilisten verzichten. Die Regierung und ehemalige Geiseln sind skeptisch.
PORTO ALEGRE taz | Die kolumbianische Farc-Guerilla will künftig keine Zivilisten mehr entführen. Mit einer viel beachteten Erklärung vom Sonntag möchten die Rebellen den Weg zu Friedensgesprächen freimachen. Zudem würden ihre letzten zehn "Kriegsgefangenen" freikommen, teilten die Aufständischen auf ihrer Website mit.
"Wir würdigen die von der Farc angekündigte Abkehr von Entführungen als einen wichtigen, notwendigen, aber nicht ausreichenden Schritt in die richtige Richtung", reagierte Präsident Juan Manuel Santos postwendend auf Twitter. "Wir freuen uns sehr für die zehn Entführten, die freigelassen werden, und für ihre Familien", erklärte er weiter. Die Regierung werde die erforderlichen Garantien geben, allerdings "ohne Medienzirkus".
Die Farc hatten bereits Ende Dezember die Freilassung von fünf Polizisten und einem Soldaten angekündigt, dies dann aber wegen der angeblich unklaren Sicherheitslage hinausgezögert. Ihre "Kriegsgefangenen", die sie bis zu 14 Jahre lang im Dschungel festhalten, hatten sie jahrelang erfolglos gegen inhaftierte Rebellen austauschen wollen.
Die Verschleppung von Zivilisten, der sie jetzt abschwören, ist seit jeher ein Mittel der kolumbianischen Guerillagruppen, um den bewaffneten Kampf zu finanzieren. Derzeit befänden sich immer noch 140 zivile Geiseln in der Gewalt der Farc, sagte der Sicherheitsexperte Alfredo Rangel. "Wir verkünden, dass wir ab sofort diese Praktiken im Rahmen unseres revolutionären Kampfes verbieten", heißt es in der Farc-Erklärung.
Sie nehme diese Ankündigung mit "Hoffnung und Zurückhaltung" auf, sagte die frühere Senatorin Ingrid Betancourt, die sich über sechs Jahre lang in der Gewalt der Rebellen befand. Skeptisch bleibe sie, da die Zukunft der "wirtschaftlichen Geiseln" noch zu klären sei.
"Es ist eine beispiellose Erklärung in der langen Geschichte der Farc", findet hingegen der linke Parlamentarier Iván Cepeda von Demokratisch-Alternativen Pol, "ein bedeutsamer Schritt auf der Suche nach Frieden".
Zuversichtlich gibt sich auch der frühere linksliberale Präsident Ernesto Samper: "Es ist ein Zeichen des guten Willens, so wie es Santos als Voraussetzung für Friedensgespräche gefordert hat, nun muss die Regierung eine großzügige Antwort geben".
Santos direkter Vorgänger Álvaro Uribe, der acht Jahre lang ausschließlich auf eine militärische Lösung gesetzt hatte, twitterte hingegen wiederholt: "Irreführende Erklärung". Die Rebellen müssten auf sämtliche Kriegshandlungen verzichten, fordert Uribe, der die Rechtsopposition gegen seinen ehemaligen Verteidigungsminister Santos anführt.
Landesweite Proteste gegen die FARC
In den vergangenen Monaten war der Druck auf die Rebellen gewachsen. Im November hatten sie offenbar drei Polizisten und einen Soldaten nach mehr als zwölf Jahren Gefangenschaft hingerichtet. Daraufhin kam es zu landesweiten Protesten gegen die Rebellen.
Die FARC gilt als bedeutendste Rebellenorganisation Kolumbiens. Im vergangenen Jahr ernannte die marxistische Gruppe einen neuen Anführer. Timoleón "Timochenko" Jiménez, dessen richtiger Name Rodrigo Londoño ist, erklärte bereits seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Regierung.
Den FARC gehören nach offiziellen Angaben zwischen 8000 und 11.000 Kämpfer an, die vor allem in den Grenzgebieten zu Venezuela und Ecuador aktiv sind. Seit den 80er Jahren versucht die FARC durch Entführungen von Beamten und Politikern, Druck auf die Regierung auszuüben.
mit Material von afp
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