■ Kohls und Waigels Spielchen für die Spekulanten: Haut die Lira in die Pfanne!
Die Frage ist: Haben Bundes-Kohl und Finanz- Waigel vielleicht irgendwo versteckt in Südtirol ein klitzekleines heimliches Konto in Lire?
Tatsache ist jedenfalls, daß die Methode „Einer dreht, der andere schleift“ unserer beiden Porzellanladen-Elefanten für Italien verheerende Folgen zeitigt – für auswärtige Geldschieber jedoch ein herrliches Zuckerl ist. Vor drei Wochen, beim G-7-Gipfel, erteilte Helmut der Mächtige den Leuten aus dem Lande der Zitronen wieder mal jovial Zensuren: Ministerpräsident Dini, der Immerlächler, sei doch ein ganz guter Mann, den solle man „doch ruhig weitermachen lassen“. Die Lira, deren Wiedereintritt in die Währungsschlange Dinis Herzenswunsch ist, machte einen Freudensprung und landete, von damals noch weit über elfhundert zu einer Mark, bei wenig über 1.050, ein Gewinn von mehr als 5 Prozent innerhalb von drei Stunden. Macht 5.000 Mark pro vorher eingetauschten 100.000 – für die, die Bescheid wußten.
Nun aber hat Theo der Kratzbürstige mitgeteilt, mit einer Aufnahme der Italiener in den Euro-Geld- Club sei das nichts, das Land sei weitab jeglicher Zulassungskriterien. Hops!, die Lira versank geradezu im Verkaufstrubel, auf mehr als 1.120 Lire ist ihr Wert etwa in New York geschwunden. Nun wissen wir, daß Kohl seinen Waigel am Augenbrauenfilz zupfen und ihn zu einer leichten Minderung seines Njet anhalten wird – und da wird die Lira wieder zulegen. Nicht so kräftig wie vorher, aber so 30, 40 Punkte werden's wohl sein. Wer gleich nach Waigels Verdikt tauschte, konnte pro 100.000er 3.000 bis 4.000 Mark einstreichen.
Ein Spiel, das böswillige Italiener bislang nur dem stets und immerdar zum Oberteufel aufblähbaren Chef der Liga Nord, Umberto Bossi, zutrauten. Als der voriges Jahr, damals noch Mitkoalitionär bei Berlusconi, den einen Tag etwas von der Auflösung der Regierungsallianz brummelte, am Tag danach aber sein festes Zusammenstehen mit dem Regierungschef betonte, und am Tag danach wieder Absetztendenzen zeigte, hüpfte die Lira ähnlich wie derzeit nach Kohl und Waigel. Die Staatsanwaltschaft ermittelte: wg. Anfangsverdachts spekulationsorientierter Sprüche aus Politikermund.
Aber möglicherweise tun Kohl und Waigel ja alles nur um das Wohl des Vaterlandes willen. Vielleicht kauft und verkauft ja die Bundesbank in Kenntnis kommender Kraftsprüche der deutschen Entscheidungsträger massenweise Lire. „Haut die Lira in die Pfanne“ als Großtat zur Rettung maroder deutscher Finanzpolitik? Werner Raith
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