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Kohlekraftwerk Moorburg"Ein Rechtsstreit dauert Jahre"

Noch im September fällt die Entscheidung über das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg. Im taz-Interview meldet sich nun erstmals Vattenvall-Chef Rainer Schubach öffentlich zu Wort.

Vattenfall-Chef Rainer Schubach fürchtet jahrelange Gerichtsverfahren Bild: Vattenfall
Marco Carini
Interview von Marco Carini

taz: Herr Schubach, was passiert im September in Bezug auf das Kohlekraftwerk Moorburg?

Rainer Schubach: Ganz klar: Ich erwarte die ausstehende Genehmigung.

Wie lange können Sie ohne diese überhaupt noch bauen?

Bis Ende September, Anfang Oktober.

Und wenn die Genehmigung nicht erteilt wird?

Wenn die Genehmigung versagt würde, läuft es auf einen Rechtsstreit hinaus, der bis zum Bundesverwaltungsgericht gehen könnte. Das kann sechs, sieben Jahre dauern.

Der eindeutige Verlierer wäre Vattenfall. Während die Grünen das Kraftwerk vorläufig verhindern, würden Sie auf einer Bauruine sitzen bleiben.

Verlierer wären beide Seiten. Wir sind uns sicher, dass wir einen Anspruch auf Schadensersatz haben. Wenn das Kraftwerk aber vorläufig nicht kommt, hat Hamburg ein immenses Problem bei der Fernwärmeversorgung. Das Kraftwerk Wedel, das 40 Prozent der Hamburger Fernwärme produziert, muss aus Altersgründen in absehbarer Zeit vom Netz. Ohne Moorburg gibt es dafür keinen Ersatz.

Mit dieser Perspektive haben Sie vor der Bürgerschaftswahl rechnen müssen, da sowohl die SPD wie die GAL sich gegen das Kraftwerk ausgesprochen hatten. Trotzdem haben Sie ohne rechtskräftige Genehmigung angefangen zu bauen.

Wir haben nicht auf eigenes Risiko gebaut und uns damit in die Hand von politischen Konstellationen begeben. Der so genannte vorzeitige Baubeginn ist Standard beim Bau von Industrieanlagen. Hinzu kommt: Wir müssen uns die Großkomponenten der Anlage sichern, bevor wir den Antrag einreichen, weil diese Bestandteil des Genehmigungsantrages sind. Die Optionen auf diese Komponenten mussten wir bis Ende 2007 einlösen. Sonst wären sie verfallen und wir hätten das ganze Kraftwerk neu verhandeln müssen.

Doch Ihre Rechnung ist offenbar nicht aufgegangen.

Als wir Mitte November eine Vereinbarung mit der Stadt getroffen haben, war der behördliche Prüfvorgang komplett abgeschlossen und der Bürgermeister hat sein Wort gegeben, dass der Vertrag gilt und nicht mehr geändert wird. Wir konnten nicht voraussehen, dass es dann zu Verzögerungen bei der Erteilung der fest zugesagten endgültigen Baugenehmigung kommt, die uns für Dezember in Aussicht gestellt worden war.

Nun aber will die grüne Seite der Hamburger Koalition das Kraftwerk in dieser Form definitiv nicht. Ohne Kompromissbereitschaft auch auf Seiten von Vattenfall scheint der Rechtsstreit unvermeidlich.

Dass wir und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt zurzeit mehr übereinander reden als miteinander, liegt nicht an uns. Wir haben in den letzten Monaten immer wieder unsere Bereitschaft erklärt, mit der Behörde ins Gespräch zu kommen. Dieses Angebot steht. Unser Ziel ist, dieses für Hamburg wichtige Projekt zu einem für alle akzeptablen Abschluss zu bringen.

Dazu müsste Vattenfall von Maximalpositionen abrücken.

Wir haben bereits während der Koalitionsverhandlungen das Angebot gemacht, die Leistung des Kraftwerks in einem seiner beiden Blöcke so zu drosseln, als würde er - was den CO2-Ausstoß betrifft - mit Gas gefahren. Das bedeutet rund eine Million Tonnen CO2 pro Jahr weniger, bis wir über die Abscheidung von CO2 den Gesamtausstoß fast auf Null reduzieren können.

Als dieser Vorschlag öffentlich kolportiert wurde, hat Vattenfall sich dazu nicht geäußert. Damit war er politisch tot.

Wir wollten dieses Angebot nicht über Medien kommunizieren, sondern haben den Vorschlag direkt Herrn von Beust mitgeteilt. Doch darüber sind wir nie ins Gespräch gekommen.

Steht dieses Angebot noch?

Grundsätzlich ja.

Trotz einer solchen Schadstoffreduzierung kann Hamburg sein Ziel, bis 2020 vierzig Prozent weniger CO2 zu emittieren, niemals erreichen.

Hamburg hat dieses Ziel ausdrücklich mit Ausnahme der Kraftwerke beschlossen. Deshalb würde Moorburg das Klimaziel gar nicht gefährden. CO2 entsteht, wenn Energie verbraucht wird und keine regenerative Energie da ist, die den Kohlestrom verdrängen kann. Ein modernes, hoch effizientes Kohlekraftwerk wie Moorburg stößt pro Kilowattstunde deutlich weniger CO2, Staub und Stickoxide aus als ältere Anlagen. So können durch Moorburg Millionen Tonnen CO2 in Deutschland eingespart werden. Für die globale Klimaerwärmung ist es doch völlig unerheblich, ob ein Kraftwerk innerhalb oder, wie das dann abzuschaltende Altkraftwerk Wedel, knapp außerhalb der Hamburger Landesgrenzen steht. Wenn wir über Klimaschutz und CO2-Bilanzen reden, müssen wir in viel größeren Räumen denken.

Warum wollen sie kein Einsatz von Gas in Moorburg - was weniger Emissionen bedeuten und Vattenfall mit der Politik versöhnen würde?

Sie bekommen derzeit auf dem Markt keinen langfristigen Gasvertrag. Den brauchen Sie aber, um solch eine Investition zu tätigen. Das Gas, das zurzeit am Markt erhältlich ist, ist so teuer, dass etwa die Erzeugung der Fernwärme fast dreimal so teuer wäre wie die aus Wedel. Legt man das um, müssten alle Hamburger Fernwärmekunden mindestens 30 Prozent mehr bezahlen. Zudem ist die Fernwärmeproduktion auf Gasbasis ineffizient. Es macht wegen der Wärmeverluste viel mehr Sinn, das Gas direkt in die Haushalte zu liefern. Und: Heute importiert die Bundesrepublik 43 Prozent ihres Gasbedarfs aus Russland - mit steigender Tendenz. Eine solche Abhängigkeit ist für die Versorgungssicherheit problematisch.

Vattenfall laufen nach den Pannen in seinen AKWs, den Preiserhöhungen und durch das Beharren auf Moorburg die Privatkunden davon. Wie lange kann das Unternehmen sich sein Image noch leisten?

2007 haben wir mit der Strompreiserhöhung und den Rauchschwaden über Krümmel nach dem Trafobrand eine kräftige Imagedelle bekommen, die sich deutlich in Kundenabwanderungen widergespiegelt hat. Inzwischen gewinnen wir mehr Kunden, als wir verlieren. Ich glaube aber nicht, dass Moorburg für uns ein Imageproblem bedeutet. Nach Umfragen erkennt die Mehrheit der Bevölkerung, dass Moorburg ein wichtiger Bestandteil der Hamburger Wärmeversorgung ist. Der Bau von Kraftwerken ist nun einmal notwendig, auch wenn es dafür keine Begeisterung gibt.

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