: Kohle ohne Zukunft
■ Ölpreisverfall treibt Subventionen für Kohle hoch / IGBE will CDU– Länder mit Zustimmung zur Atomenergie ködern / Von Walter Jakobs
Auf dem am Freitag in Essen stattfindenden Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) geht es um viel. Ein paar Wochen vor der im Oktober anstehenden Kohlerunde in Bonn sucht die IGBE Verbündete, um die teure deutsche Steinkohleproduktion auf hohem Niveau halten zu können. Während die Stromwirtschaft, Bangemann und die revierfernen CDU–Länder die Verstromung von Kohle zukünftig zurückfahren wollen, weiß die SPD nicht so recht, wie sie auf den IGBE–Köder für die CDU - grndsätzliche Akzeptanz für die Kernenergie gegen zeitlich befristete höhere Kohleverstromung - reagieren soll. Reinhard Schultz (SPD) hält dagegen die Kosten für den Steinkohleabbau für nicht aufbringbar und plädiert für alternative Energiequellen.
In den letzten Wochen gab es immer die gleichen Bilder: Bergleute in voller Montur, mit schwarzen, kohleverstaubten Gesichtern demonstrierten mal in Bonn, mal auf dem Marktplatz in Gelsenkirchen oder sie beteten in einer Kirche in Recklinghausen. Bisher ohne sichtbare Ergebnisse - mal abgesehen von Norbert Blüms Zusicherung, „kein Bergmann darf in Bergfreie fallen“. Was das letztlich heißt, steht dahin. Und dennoch, auf dem morgen in Essen tagenden Gewerkschaftstag der IGBE ist mit einer Verschärfung, ja mit einer Radikalisierung des Kampfes um Arbeitsplätze im Bergbau nicht zu rechnen. Die Chancen stünden auch denkbar schlecht. Rettung für die Gesamtheit der Zechen verspräche allein ein explodierender Ölpreis und ein drastisch gestiegener Dollar– Kurs, denn von diesen beiden Größen hängt der Subventionsbedarf unmittelbar ab. Im laufenden Jahr werden direkte Subventionen - ohne die Zuschüsse an die Knappschafts versicherung - von etwa zehn Milliarden Mark erwartet. Bei 160.000 Beschäftigten im Steinkohlebergbau etwa 63.000 DM pro Mann. Wirtschaftsminister Bangemann, die CDU und revierferne Länder wollen da nicht mehr mitspielen und drängen auf Änderungen im Subventionssystem. Neben den Kokskohlebeihilfen und den Exporthilfen, die in der ersten Hälfte der neunziger Jahre ganz auslaufen sollen, wird vor allem der „Jahrhundertvertrag“ in Frage gestellt. Dieses 1980 zur Absatzsicherung der heimischen Kohle bei der Verstromung abgeschlossene Vertragswerk läuft 1995 aus. Die dort festgelegten Mengen - vorgesehen ist eine Steigerung der Verstromung von derzeit 41 auf 45 Millionen Tonnen im Jahr 1995 - wollen die CDU–regierten Länder, allen voran Bayern und Niedersachsen, nicht länger akzeptieren. Demgegenüber fordert die IGBE in ihrem Überbrückungskonzept zur Überwindung der Krise eine Anschlußregelung und die Ausweitung der Mengen. Bis 1995 soll die Verstromung auf 48 Millionen Tonnen und dann weiter bis zur Jahrtausendwende auf 51 Millionen Tonnen anwachsen. Dazu, so die IGBE, muß der Kernenergieanteil wegen der stagnierenden Stromnachfrage bis 1995 zurückgenommen werden. Danach könne er wieder steigen. Da der Preisunterschied zwischen dem Weltmarktpreis und der deutschen Steinkohle, der sich Mitte 1987 auf 160 DM je Tonne belief, vom Stromverbraucher mittels des sogenannten „Kohlepfennigs“ zum größten Teil ausgeglichen werden muß, stiege der notwendige Strompreis, die heutigen Weltmarktpreise für Kohle unterstellt, immer weiter an. Die revierfernen CDU–Länder wollen genau das Gegenteil: Der Kernenergieanteil soll - mehrere Atomkraftwerke sind bald betriebsbereit - zu Lasten der Kohle wachsen. Das sieht auch die deutsche Stromwirtschaft so, die kürzlich bei einem Gespräch im Bundeswirtschaftsministerium klar gemacht hat, daß sie an einer Verlängerung des Jahrhundertvertrages über 1995 hinaus nicht interessiert ist. Daß die IGBE ihre Forderungen bezüglich der zusätzlichen Verstromung durchsetzen könnte, scheint fraglich. Aber selbst wenn dies gelänge, wäre ein Arbeitsplatzabbau von etwa 25.000 Beschäftigten wegen des rückläufigen Kohleeinsatzes im Wärmemarkt und in der Stahlindustrie unumgänglich. Diesen Arbeitsplatzabbau, das gehört ebenfalls zum IGBE–Konzept, würde die Gewerkschaft mittragen. Bundeskanzler Kohl hat das Überbrückungskonzept als wichtige Verhandlungsgrundlage bezeichnet und den IGBE–Vorsitzenden Hans–Werner Meyer in einem Brief gleichzeitig gebeten, sich dafür einzusetzen, daß in der Energiepolitik wieder der Konsens von Kohle und Kernenergie gefunden werde. Wie der Vorsitzende dieser Bitte entsprochen hat, ist nicht bekannt. Bekannt geworden sind lediglich Briefe von Bergbaubetriebsräten, unter anderem an Johannes Rau, in denen die SPD aufgefordert wird, sich von den Ausstiegsbeschlüssen zu verabschieden. Der Ausgang dieses Kampfes ist noch offen, auch wenn NRW–Wirtschaftsminister Jochimsen dieser Tage erklärte, daß die Landesregierung „zur Gemeinsamkeit“ in der Energiepolitik „bereit“ sei.
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