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Kohle im Bundestag — Proteste im Revier

■ Gewerkschaft schimpft / Bergleute protestieren / US-Atomstrom zu teuer

Berlin (taz/dpa) – Während der Bundestag in Bonn über die künftige Energiepolitik und vor allem die Rolle der deutschen Steinkohle debattierte, schimpfte die IG Bergbau und Energie noch einmal über den Vorschlag der Bonner Regierungskoalition, eine Anschlußregelung für den Jahrhundertvertrag zur Verstromung deutscher Kohle von einer Einigung über den Einsatz der Atomkraft abhängig zu machen. Wer die Bergleute „in Geiselhaft“ nehmen wolle, um die SPD auf den Weg zurück zum Atomstrom zu pressen, werde scheitern, erklärte IGBE-Sprecher Norbert Römer in Bochum.

Weiter warnte Römer die Bundesregierung davor, die „hochgekochte Stimmung in den Revieren“ weiter anzuheizen. In der Kohlerunde 1991 beim Bundeskanzler sei keine Verknüpfung zwischen Jahrhundertvertrag und Nutzung von Atomstrom hergestellt worden. Wer die vereinbarte Kohleverstromung von jährlich 35 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2005 von der zukünftigen Rolle der Atomkraft abhängig mache, der „legt einen Sprengsatz an die Bemühungen für einen neuen Energiekonsens und zerstört ihn“.

Die Bergbau-Kumpel machten derweil gegen die Zechen-Stillegungen mobil. Im saarländischen Völklingen demonstrierten rund 2.000 Bergleute für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Vor das Rathaus kippten sie drei Tonnen Koks. Während der Bundestagsdebatte über die Kohlepolitik heulten an Rhein und Saar fünf Minuten lang die Werksirenen.

Die Grünen in NRW rechneten unterdessen vor, daß der kurzfristige Verzicht auf die Atomkraft einen Mehrbedarf von 25 Millionen Tonnen Kohle im Jahr bedeuten würde. Trotz der dann fällig werdenden zusätzlichen Milliardensubventionen für die Kohle, meinte der grüne Landtagsabgeordnete Manfred Busch: „Nur der sofortige Ausstieg aus der Atomkraft schafft energiepolitische Spielräume.“

Die in der Debatte immer wieder vorgetragene Behauptung, um sich hohe Kohlesubventionen weiter leisten zu können, müsse man auf preiswerten Atomstrom zurückgreifen können, wird zumindest in den USA nicht geteilt. Nach einer vom amerikanischen Parlament in Auftrag gegebenen Untersuchung haben seit 1989 sechs AKWs ihren Betrieb vorzeitig aufgegeben. Weitere Betreiber dächten angesichts des verschärften Wettbewerbs in der Elektrizitätswirtschaft ebenfalls über einen solchen Schritt nach. Die 107 Atomkraftwerke der USA liefern dort über 20 Prozent des Stroms. Als künftig größtes Problem der Atomwirtschaft wird in der Studie vor allem die Entsorgung des Atommülls betrachtet. Das gilt auch für die BRD.

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