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Archiv-Artikel

Kölsches Fußballklüngel-Chaos

Nach dem Amtsantritt von Wolfgang Overath ist der Kölsche Klüngel wieder daheim. Unter großem Jubel wurde Ex-Trainer Marcel Koller davongejagt und durch den Ex-Schalker Huub Stevens ersetzt

Der Abend erinnerte an alkoholgeschwängerte Mitgliederversammlungen von Schalke 04 in den 80ern

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Huub Stevens hat schon am ersten Tag gemerkt, wie die Stimmung in Köln sich anfühlt. „Was ich spüre ist, dass hier eine große Euphorie nach dem Trainerwechsel herrscht“, hatte der Holländer den Journalisten bei seiner Präsentation als neuer Trainer des 1. FC Köln am gestrigen Nachmittag so ziemlich als erstes entgegen gerufen. Aber: „Der Trainer ist kein Wunderknabe“, fügte er gleich hinzu, und auch die Hoffnungen auf den ersehnten Offensivfußball dämpfte er in seiner Begrüßungsrede. „Es geht doch nur um den Erfolg, ich gewinne lieber, als dass ich gut spiele und verliere“, formulierte er seine alte „Die Null muss stehen“-Weisheit neu. Der Erfolg soll ganz im Vordergrund stehen, das impliziert schon der Vertrag. Ein Jahr ist die Vereinbarung gültig, nur im Aufstiegsfall verlängert sich das Arbeitsverhältnis, aber Stevens hat unabhängig von solchen Details direkt gemerkt, dass „das mit dem Wolfgang passt“, wie er erzählte.

Der Wolfgang, das ist Wolfgang Overath, der neue Mann an der Klubspitze, der den 1. FC Köln innerhalb weniger Wochen komplett runderneuert hat. Mit den Leitfiguren Overath und Stevens, hat der Klub ein vollkommen anderes Gesicht als unter Andreas Rettig (Manager), Albert Caspers (Präsident) und Marcel Koller (Trainer). Letztere galten immer als besonnen, vernunftgesteuert, rational und wirtschaftlich zurückhaltend – nun prägt ein neuer Stil das Handeln, alles wird großspuriger. Die Mitgliederversammlung am vergangenen Montag, bei der Overath zum neuen Präsidenten gewählt wurde, offenbarte erschreckende Züge der Befindlichkeiten im Klubumfeld. Mit feinem Gespür für große Effekte war der neue Präsident nach seiner Wahl vors Mikrophon getreten und hatte mit fast beiläufiger Geste verkündet, „wir haben uns am Wochenende von Marcel Koller getrennt“. Es war, als wäre den Fußballern gerade in letzter Minute das entscheidende Tor zu einem großen Titel gelungen. Jubel, in die Luft fliegende Hände, der Saal tobte.

Der Abend erinnerte an legendäre alkoholgeschwängerte Mitgliederversammlungen von Schalke 04 aus den 80ern. Die seit Monaten anhaltende Hetze des Boulevards gegen Koller und Rettig hat die Leute wütend gemacht, und diese fiebrige Stimmung nahm Overath als Vorlage, sich selber als großen Retter feiern zu lassen. Dass Lukas Podolski, der neue Kölner Volksheld, ohne Koller wahrscheinlich noch ohne Bundesligaeinsatz in der A-Jugend herumdümpeln würde, war längst vergessen. Ebenso wie die Tatsache, dass die Mannschaft unter dem Schweizer erstmals seit Jahren wieder einen taktisch anspruchsvollen Kombinationsfußball spielte. Nach zwei kurzen Jahren der Besonnenheit taumelt Köln wieder in den herrlichen Fantasien von blinkenden Pokalen, Inter Mailand und Weltklassefußball. Die Realität der Zweiten Liga lässt sich angesichts so glänzender Namen wie Stevens und Overath wunderbar vergessen.

Der neue Präsident fordert, der FC müsse „wieder zu den deutschen Spitzenklubs gehören“, bejubelt wurde er für solche Sätze, als könne er diese Entwicklung garantieren. Wohl noch nie hat sich jemand für eine Trainerentlassung (große Fähigkeiten gehören da nicht dazu, und persönlich mitgeteilt hat er Koller die Entlassung auch nicht) derart feiern lassen – einige Beobachter haben das als ganz schön dreist empfunden. „Mich stimmt es sehr nachdenklich, wenn eine Trainerentlassung so bejubelt wird“, sagte auch Rettig nach dem rauschhaften Abend. Der Manager hatte ebenfalls seinen Rücktritt angeboten, nachdem seine Personalpolitik eine chancenlose Mannschaft hervorgebracht hatte und nun auch noch sein längerfristig angelegtes Projekt mit einem modernen Trainer gescheitert ist. Das ließ Overath aber nicht zu, denn natürlich braucht er einen wie Rettig, der sich auskennt mit dem Handwerk im Klubmanagement, der also jene Arbeit macht, für die man nicht angehimmelt wird. Aber eins ist ja auch gut möglich: Vielleicht funktioniert Fußball in dieser seltsam emotionalisierten Stadt auch nur mit autoritären Typen wie Overath und Stevens. In diesem Fall hätten Fans und Öffentlichkeit alles richtig gefühlt.