: Koalitionsstreit um Pershing 1A
■ CSU warnt FDP vor Verzicht auf die 72 Pershing–Raketen / Bundesaußenministerium dementiert, daß Genscher einseitigen Verzicht auf Pershing anstrebe / Sowjets fordern stärkeres Engagement Bonns
Frankfurt/Düsseldorf (ap) - Wegen der Debatte um die 72 Raketen der Bundeswehr vom Typ Pershing 1A, deren Nuklearsprengköpfe unter amerikanischer Verfügungsgewalt stehen, bahnt sich offenbar ein weiterer Streit in der Regierungskoalition an. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU–Landesgruppe Wolfgang Bötsch, warnte die FDP, im Bundestag für einen Verzicht auf die Raketen zu stimmen. Bötsch sagte in einem Interview der Hamburger Morgenpost, die CSU bleibe dabei: „Die Pershing 1A dürfen aus deutscher Sicht nicht in eine Abrüstungsvereinbarung einbezogen werden.“ Er müsse sich „sehr wundern, daß die FDP offensichtlich wieder ein mal umfallen und vom Regierungskurs abgehen will“. Er warne die FDP davor, in dieser Frage die Mehrheit im Bundestag aufs Spiel zu setzen. Wechselnde Mehrheiten können keine Grundlage für die Zusammenarbeit einer Koalition sein. Einer Meldung des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zufolge will Bundesaußenminister Genscher erreichen, daß die Bundesregierung einseitig diese Waffen aufgibt. Das Bundesaußenministerium widersprach der Meldung insofern, als es am Samstag verbreiten ließ, Genscher habe eine derartige Erklärung nie abgegeben. Das Magazin hatte aus seiner neuesten Ausgabe vorab gemeldet, Genscher wolle darauf hinwirken, daß Bonn eine Verzichtserklärung „möglichst noch vor dem für Mitte September vorgesehenen Gespräch zwischen den Außenministern der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion“, George Shultz und Eduard Schewardnadse, abgibt. Der CDU/CSU–Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger erklärte am Sonntag im Hessischen Rundfunk, die Waffen seien „militärisch nur von begrenztem Wert. Sie können die Übermacht der Sowjetunion in Europa an atomaren Kräften nicht verändern“. Die Sowjetunion besitze riesige strategische Bestände, die auch gegen die Bundesrepublik eingesetzt werden und sie auslöschen könnten. Weiterhin sagte er auch, wenn die sowjetischen „Scud“–Raketen verschwänden, habe er keine Einwände mehr gegen einen Abbau der Pershing 1A. Der stellvertretende Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU, Wadim Sagladin, hält der Bundesregierung wegen ihres Festhaltens an den Pershing 1A–Raketen zugleich vor, ihre Haltung in dieser Frage könne „nicht als konstruktiv bewertet werden“. Es gehe „um die brisante Frage nach der Beibehaltung des atomwaffenlosen Status der Bundesrepublik Deutschland“, der aus den Verpflichtungen resultiere, die Bonn mit der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages eingegangen sei.
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