■ Koalitionskompromiß zur Kohlesubvention: Aufschub statt Einigung
Die Ersatzfinanzierung des Kohlepfennigs in Frage zu stellen und solchermaßen den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen zu bestreiten, soviel Chuzpe hatte eigentlich keiner der FDP zugetraut. Eindeutig hatte sie sich festgelegt, für die Kohle keine Steuererhöhung zu akzeptieren, und wenn sie am 12. Mai die Wahl verlieren sollte, dann wohl ausnahmsweise mal aus dem Grund, daß ihr Profil zu eindeutig war.
Sich zudem in einer Weise festzulegen, die keinen Ausweg mehr ermöglichte, und mit dem Regierungspartner anzulegen, das schien geradezu Tollheit angesichts der Alternativlosigkeit, mit der die FDP ihr Dasein in der Koalition fristet. Kein Zweifel, die Regierungsparteien hatten sich in den letzten Tagen in eine Sackgasse manövriert. Doch ist das, was Kanzleramtsminister Bohl und Bundeswirtschaftsminister Rexrodt gestern als Einigung präsentierten, bereits der Ausweg? Mitnichten, es ist ein Aufschub. Das eigentliche Problem, das der Finanzierung, wurde vorerst ausgeklammert. Die Erfüllung des Artikelgesetzes wurde zugesichert, doch eine Festschreibung erst mal nur für 1996 zugesagt. Eine frühere Absenkung der Subventionen soll in den Energiekonsens-Gesprächen mit der SPD angesprochen werden. Denn ohne die Sozialdemokraten geht auch in dieser Frage nichts mehr. Deren Antwort dürfte zunächst ein klares Nein und die Forderung nach Festschreibung der Subvention in den folgenden Haushalten sein.
Die Klarheit dieser sozialdemokratischen Haltung zu trüben, sie in eine Situation zu manövrieren, in der sie eigene Interessen divergierend wahrnehmen muß, wird eines der taktischen Unterfangen der Regierung in den kommenden Monaten sein. Als Hebel dazu bieten sich die Bundesländer an. Hatte nicht der haushaltspolitische Sprecher der Union, Roth, bereits am Wochenende darüber lamentiert, daß die Ost-Bundesländer wegen des verbesserten Finanzausgleichs über neun Milliarden Mark mehr verfügten, als sie brauchten, und daß ihr Anteil an der Mehrwertsteuer wieder entsprechend reduziert werden könnte. Was wäre die sozialdemokratische Haltung, würde der Verteilkampf zwischen Elbe und Ruhr ausgetragen, wenn Stolpe und Höppner gegen Rau und Lafontaine stünden. Der FDP könnte es recht sein, hat sie doch in den Ost-Ländern nichts mehr zu verlieren.
In diesem Jahr stehen noch eine Reihe von Reformvorhaben an, die der Zustimmung der SPD bedürfen. Auch hier wird die Regierung versuchen, sie in die wenig komfortable Lage des Abwägenden zu bringen, der auch Finanzierungsmodelle präsentieren müsse. Und selbst wenn sich an der SPD-Haltung zur Kohlesubvention nichts ändert, böten doch die diversen noch anstehenden Steueränderungen, die Unklarheiten der Haushaltsentwicklung aufgrund der wirtschaftlichen Lage und die großen Reformvorhaben letztendlich genügend Möglichkeit, die Kohlesubventionierung im Haushalt zu verstecken, ohne daß eine insgesamt erhöhte Abgabenlast auf sie zurückgeführt werden kann. Gelten nicht bereits jetzt etliche Milliarden als ungedeckt, eine höhere Verschuldung oder höhere Abgaben als unausweichlich. Und überhaupt, wer erinnert sich denn noch in einem oder eineinhalb Jahren an die eindeutigen Worte eines FDP-Politikers – und erinnert ihn dann daran? Dieter Rulff
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