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KneipentipsAbschied von Herrmann und der 2. Liga

■ Tote Hose nach dem 0:2 gegen Mainz im Clubheim des FC St. Pauli

KNEIPENTIPS

Abschied von Herrmann und der 2. Liga Tote Hose nach dem 0:2 gegen Mainz im Clubheim des

FC St. Pauli

Vor dem efeuberangten Eingang der Kneipe in der Friedrichstraße haben sie sich, wie nach jedem Heimspiel des FC St. Paulis versammelt und spülen ihren Frust über die wieder einmal klägliche Vorstellung ihrer Lieblinge mit Bier herunter. Als Sitzplätze dienen vor dem Lokal geparkten Autos. Aus der Jukebox der Kneipe erklingen abwechselnd Schlager, St.Pauli-Schnulzen oder irische Heimatgesänge der Poques. In dem mit zahlreichen Vereinswimpeln geschmückten Raum versucht ein Mann undenierbaren Alters, mit langen roten Haaren und Wildwuchs im Gesicht, den Bestellungen der Fans Herr zu werden. „Drei Holsten“, klingt es aus der einen Ecke, „Hermann, zwei Saure“, aus der anderen. Mit einer wundersamen Mischung aus absoluter Ruhe und hektischer Betriebsamkeit kommt Hermann, der Wirt von „Rosi's Bierstube“, in der Friedrichstraße auf St. Pauli den Bestellungen der Gäste nach. Seitdem Hermann und Rosi 1987 den Laden übernommen haben, versammeln sich nach den Heimspielen und auch an spielfreien Wochentagen St. Pauli-Fans dort. Ein wenig skeptisch beäugt zwar, von den Frauen die vor der Tür, in der Friedrichstraße ihrer Profession nachgehen und in Menschenaufläufen an ihren Standplätzen, eine Geschäftsschädigung sehen, aber ansonsten unbelästigt. Nun soll das einstöckige Flachdachgebäude, das nach dem Krieg in eine Baulücke gezwängt wurde, abgerissen werden. Ein Haus mit einer Kneipe und Sozialwohnungen soll entstehen. Angesichts der Wohnraumkatastrophe in Hamburg ein löbliches Unterfangen. Für Hermann und Rosi wahrscheinlich das Ende als Gastronomen an diesem Platz. Die Miete soll nach dem Neubau von derzeit 1500 Mark auf 5000 Mark steigen. Für eine Kneipe, die das Bier für 2,50 Mark verkauft zu viel.

Die Umsätze stimmten an diesem Abend, während es im Clubheim des Vereins erstaunlich ruhig war nach der 0:2-Heimschlappe gegen Mainz am Freitag abend. Für endlose Gelage im Clubheim mit anschließenden Bejubeln der Mannschaft, dafür fehlte es den fanatischsten Anhänger der Religion Fußball, Konfession: St. Paulianisch-Orthodox, an diesem Abend die Contenance. Keine einzige Torchance hatten sich ihre Idole gegen die Mainzer erspielt, ihre mit Abstand schlechteste Saisonleistung erbracht. Pfiffe blieben aus, Sarkasmus auch. Die Mannschaft ist gestraft genug, hieß es allenthalben. Deshalb nach dem Schlußpfiff auch nur pflichtgemäßes „St.Pauli, St. Pauli“-Gegröhl und das Eingeständnis, daß die beiden Treffer der Mainzer „absolut geile Tore“ waren. Etwa 13 800 Zuschauende verirrten sich ins Wilhelm-Koch-Stadion. Eine Kulisse, die selbst einige Erstligisten neidisch machem kann. kader

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