Knatsch in der schwarz-gelben Koalition: Rote Linie Eurobonds

Nach der Sommerpause muss Kanzlerin Merkel nicht nur in Europa kämpfen – auch in den eigenen Reihen muss sie sich durchsetzen. Doch die Zahl der Neinsager ist in der Sommerpause gewachsen.

Für viele Politiker von CDU, CSU und FDP war die Koalitions-Politik in dieser Legislatur wie auf den Kopf gestellt. Bild: dapd

BERLIN dpa | Trotz der Kritik in den Koalitionsfraktionen am Regierungskurs bei der Euro-Rettung rechnet CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Ende mit Geschlossenheit von Union und FDP. "Wir haben im September ausgiebig Zeit, das im Parlament zu diskutieren", sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin. "Selbstverständlich wird wie in der Vergangenheit das Parlament die entscheidenden Weichen stellen. Und ich bin zuversichtlich, dass wir das mit einer eigenen Mehrheit der Koalition tun werden." Gröhe lehnte im gemeinsame europäische Staatsanleihen, sogenannte Eurobonds, nochmals entschieden ab. "Eurobonds taugen jetzt überhaupt nicht", sagte er. "Eurobonds passen nur in eine Situation vergemeinschafteter Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die haben wir nicht."

Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (Julis), Lasse Becker, sieht die Position der FDP zu Eurobonds als entscheidend für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Kolaition in Berlin an. Es gebe innerhalb der Koalition durchaus "rote Linien", die nicht überschritten werden dürften. "Eine solche Linie sind für die Jungen Liberalen die Eurobonds", sagte er der Montags-Ausgabe der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung. Auch FDP-Chef Rösler zeigte sich kämpferisch: "Ich schließe aus, dass es mit dieser Bundesregierung Eurobonds geben wird", so Rösler zur Bild am Sonntag. Sonst würden die Zinsen in Deutschland steigen und das Wirtschaftswachstum gefährdet. Eurobonds "machen wir nicht mit", sagte auch CSU-Chef Horst Seehofer der "Wirtschaftswoche". SPD und Grüne sehen dagegen Eurobonds unter bestimmten Voraussetzungen als geeignetes Mittel, um die Finanzkrise einzudämmen. Auch einzelne Koalitionsabgeordnete lehnen Eurobonds nicht grundsätzlich ab.

Am Montag werden das Präsidium und der Bundesvorstand der CDU bei ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause über die Euro-Rettung und die Turbulenzen auf den Finanzmärkten beraten. Am Dienstag wird sich die Unionsfraktion im Bundestag in einer Sondersitzung mit der Euro-Schuldenkrise befassen. In der Union sind viele irritiert, verstehen auch Merkels Kursänderungen in der Atom- und Bildungspolitik nicht. Und bei den komplizierten Rettungsversuchen für den Euro fühlen sich etliche Parteifreunde von einsamen Entscheidungen der Parteispitze überfahren und nicht genug mitgenommen. JU-Chef und Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder hatte in den vergangenen Wochen viel Wirbel mit dem Ruf nach einem Sonderparteitag ausgelöst und immer wieder gemahnt: "Einsame Beschlüsse werden uns nicht weiterbringen."

Merkel will keinen Sonderparteitag

Am Sonntag ging Merkel in die Offensive: Einen Sonderparteitag will sie zwar – außer bei unabsehbaren dramatischen Entwicklungen – weiterhin nicht, machte sie im ZDF deutlich. Aber natürlich werde sich der ursprünglich vor allem zur Bildungspolitik geplante Parteitag im November auch mit dem Thema Europa befassen. Generalsekretär Hermann Gröhe kündigte in der "Welt" einen eigenen Leitantrag an - Details sollen an diesem Montag in Präsidium und Vorstand besprochen werden.

Der Kreis um Merkel setzt zudem auf die geplanten Regionalkonferenzen, um den Druck aus dem Kessel zu lassen, was die Europapolitik und den Modernisierungskurs der Parteichefin angeht. Schon diesen Montag startet die CDU mit einer Reihe von regionalen Bildungstreffen, bei denen Gelegenheit zur Diskussion über die anvisierte Abschaffung der Hauptschule sein soll.

Sind Präsidiums- und Vorstandssitzung überstanden, sieht Merkels Terminkalender vorerst auch nicht nach Entspannung aus: Direkt im Anschluss geht es für einen 24-Stunden-Trip nach Kroatien und Serbien. Zumindest in Belgrad müssen schwierige Probleme in den Griff bekommen werden - der Grenzstreit zwischen Serbien und dem Kosovo war erst vor vier Wochen blutig eskaliert.

Schlechte Stimmung in der Unions-Fraktion

Nach der Rückkehr am Dienstagabend muss die Kanzlerin dann direkt in die Unionsfraktion. In einer Sondersitzung zur Euro-Schuldenkrise will sie die Wogen glätten. Merkel droht bei der Abstimmung über die deutschen Gesetze zur Reform des Euro-Rettungsschirms eine schwere Schlappe: Ob sie im Bundestag Ende September die symbolisch so wichtige Kanzlermehrheit bekommt, ist derzeit völlig offen.

Die Stimmung in der Unionsfraktion ist nicht gut nach dieser Sommerpause – auch angesichts des schrumpfenden Vorsprungs vor der SPD in einer aktuellen Emnid-Umfrage. Seit über einem Jahr seien die Abgeordneten daheim in ihren Wahlkreisen permanent im Rechtfertigungszwang, sagt ein führendes Fraktionsmitglied. Erst die Abschaffung der Wehrpflicht, dann der Schwenk in der Atompolitik, jetzt die Hauptschuldebatte und natürlich die Euro-Diskussion. Das Thema Eurobonds – gemeinsame europäische Staatsanleihen – habe dabei die Sensibilität der Abgeordneten nochmals erhöht.

Als Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lautstark über den Zeitplan für die Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm nörgelte, dürfte er den Nerv bei vielen Parlamentariern getroffen haben. Selbst der nicht als Kritiker der Kanzlerin bekannte Innenausschuss-Chef Wolfgang Bosbach droht mittlerweile mit einem Nein in dieser Frage – auf die Gefahr hin, dass die Kanzlermehrheit kippt.

Wackelt die Kanzlermehrheit?

In den Führungszirkeln der Fraktion macht sich Sorge breit: Die Zahl derer, die sich ein Nein vorstellen kann, sei im Sommer größer geworden. "Ob wir im Augenblick eine Mehrheit bekommen würden, wage ich zu bezweifeln", heißt es sogar. "Da wird die Kanzlerin noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen." Am Dienstagabend will Merkel damit in der Fraktion beginnen. "Ich gehe sehr davon aus, eine eigene Mehrheit zu bekommen. Dafür werbe ich", versprach sie jetzt.

In der Fraktion will Merkel den Regierungskurs gemeinsam mit ihrem wichtigsten Mann in der Euro-Krise, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), erklären. Der bekannte am Wochenende beim Tag der offenen Tür der Regierung, dass ihn die Finanzkrise manchmal ganz schön schlauche. Im Urlaub habe er zu seiner Frau gesagt: "Was dieses Jahr mich abgesehen vom Wetter stört: Ich kriege keinen Abstand zu den Problemen. Weil jeden Tag war irgendwas mit dieser Eurokrise." Doch Schäuble hatte auch gleich sein Krisenrezept parat: Ruhe und kühlen Kopf bewahren. Das war in den vergangenen Monaten auch die Methode Merkel.

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