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Archiv-Artikel

Knäste sind zu voll

Vollzugsbeirat fordert Verzicht auf Vollstreckung kurzer Haftstrafen. Justizverwaltung: Grenze der Belastbarkeit

Der Berliner Vollzugsbeirat schlägt Alarm: Die Gefängnisse seien „dauerhaft und inzwischen dramatisch überfüllt“, sagte am Mittwoch der Vorsitzende des Vollzugsbeirates, Olaf Heischel. Er sprach sich dafür aus, als „aktuell wichtigste Maßnahme“ die Vollstreckung kurzer Haftstrafen aufzuschieben. Zudem kritisierte er, dass das Personal zusammengestrichen worden sei.

Manche Berliner Gefängnisse weisen laut Heischel eine Überbelegung von mehr als 25 Prozent auf. Dabei seien viele Zellen bereits regulär für mehrere Gefangene vorgesehen, obwohl jeder Häftling laut Gesetz einzeln unterzubringen sei. Überfüllte Anstalten führten aber zu Gewalt und machten eine Resozialisierung der Täter unmöglich. Justizstaatssekretär Christoph Flügge räumte ein, dass die Aggressionen in Berliner Haftanstalten zunehmen. Es bestehe aber kein Anlass zur Befürchtung von Gefängnisrevolten, betonte er. Das „sehr gut ausgebildete Personal“ könne mit der Situation angemessen umgehen. Allerdings räumte der Staatssekretär ein, dass die Mitarbeiter „am Rande ihrer Belastbarkeit“ angelangt seien.

In den vergangenen Jahren wurden laut Heischel über 700 Stellen im Justizvollzug gestrichen. Durch Arbeitszeiterhöhung auf 42 Stunden sollten noch einmal 180 hinzukommen. Damit müssen offiziell 58 Beamte heute 100 Gefangene bewachen und betreuen – eine Arbeit, die früher 93 gemacht haben.

Die Justizverwaltung setzt laut Flügge „vor allem auf Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit“.

Dagegen sprach sich Heischel dafür aus, kurze Haftstrafen – etwa für wiederholtes Schwarzfahren oder wiederholten Ladendiebstahl – erst einmal nicht zu vollstrecken. Damit wurden in den 80er-Jahren „sehr positive Erfahrungen“ gemacht, betonte er. Der Beirat ist ein unabhängiges Gremium ehrenamtlicher Vertreter gesellschaftlicher Institutionen. Er soll sich für die Ziele und die Fortentwicklung des Strafvollzugs engagieren. DDP