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Archiv-Artikel

Knackt Böhrnsen den „Bremer Schlüssel“?

Falls 2007 wirklich das „Jahr der Kinder“ sein soll, muss viel passieren – zum Beispiel in den Kindertageseinrichtungen

2007 soll in Bremen „das Jahr der Kinder“ werden. Sagt SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen, in dessen Rathaus die Bundes-SPD gerade den flächendeckenden Anspruch auf Ganztagsbetreuung bis 2010 beschloss. Und Anfang März will sich der Bürgermeister bei der Personalversammlung von „Kita Bremen“ dafür aussprechen, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz von täglich vier auf sechs Stunden zu erweitern – also inklusive Mittagessen. Letzteres soll, so Böhrnsen, für die Kinder von Hartz IV-EmpfängerInnen kostenfrei sein.

Gestern bekam der Bürgermeister für seine guten Vorsätze Erinnerungshilfen: Einen Kalender, gestaltet von ErzieherInnen der städtischen und evangelischen KTHs – er soll „die politisch Verantwortlichen im Bundesland Bremen vor und auch nach der Wahl an den enormen Handlungsbedarf“ für die Kindertagesstätten gemahnen. Im April zum Beispiel so: „20 Kinder wollen draußen spielen = 20 Jacken + 20 Matschhosen + 40 Schuhe + 20 Mützen + 20 Schals + 40 Handschuhe = 160 Teile für zwei ErzieherInnenhände“. Eine einfache Gleichung, die plakativ vor Augen führt, dass der für Kitas gültige „Bremer Schlüssel“ mit einer Erzieherin für 20 Kinder unhaltbar ist. Wer schon mit dem Schuhebinden kaum hinterherkommt, kann auch über den gesetzlich verankerten Anspruch auf inhaltlichen Input in den Kindergartenalltag ohnehin nur müde lächeln. Zum Vergleich: In Niedersachsen kommt eine ausgebildete Kraft auf rechnerisch 12,5 Kinder, die Richtlinien des EU-Kinderbetreuungsnetzwerks legt den Personalschlüssel auf maximal 1:8 fest.

Eine Kita aus der Neuen Vahr hat das aktuelle Kalenderblatt gestaltet – mit ein paar schlichten Fakten. 132 Kinder besuchen die Einrichtung, 72 von ihnen leben an der Armutsgrenze. Etliche Familien haben Kriegserfahrungen hinter sich, sie kommen aus 19 verschiedenen Ländern. Bei den Eltern von 112 der Kinder ist unsicher, ob die Sprachkenntnisse reichen, um die Kita-Aushänge zu lesen. Henning Bleyl