Knackis für Knast : Schokocreme aus eigener Tasche
Stellen Sie sich vor: Den Gefangenen eines Knastes wird verkündet, dass ihre Anstalt dichtgemacht wird – und einige brechen in Tränen aus. So geschehen vor ein paar Tagen in der sozialtherapeutischen Anstalt Altengamme, als der Anstaltsleiter die 60 Insassen in der Kantine zusammentrommelte, um das beschlossene Aus im kommenden Jahr zu verkünden.
„Es herrschte Totenstille“, erinnert sich Sabine Schlunke (Foto), die in Altengamme wegen Betäubungsmittel-Delikten einsitzt. „Am späten Nachmittag haben wir dann beschlossen, etwas dagegen zu tun.“ Seitdem kämpfen die Knackis um ihren Knast. Informieren Richter und Strafvollzugskammern, Zeitungen und Radios, schreiben an Wasser- und Elektrizitätswerke, mit der Bitte, die Preise für Strom und Wasser für die Anstalt zu halbieren, damit die Justizbehörde ihre Sparvorgaben erfüllen kann, ohne die Anstalt zu schließen. Um zu sparen, boten die 54 männlichen und 6 weiblichen Häftlinge sogar an, Lebensmittel-Extras wie Cornflakes und Nuss-Nougat-Creme, aber auch den von ihnen in der Zelle verbrauchten Strom aus eigener Tasche vom kargen Knast-Lohn zu finanzieren.
Warum kämpfen Knackis für ihren Knast? „Wir erfahren hier die Unterstützung, die wir bei der Entlassungsvorbereitung brauchen – deshalb ist die Rückfallquote so einmalig niedrig“, bringt es Sabine Schlunke auf den Punkt: „Wir müssen uns hier intensiv mit unserer Tat auseinandersetzen, werden aber auch auf praktische Alltagsfragen vorbereitet und können arbeiten gehen, so dass wir den Steuerzahlern nicht auf der Tasche liegen, sondern selber Steuern zahlen.“ Eine Angliederung der Sozialtherapie an eine bestehende Haftanstalt hält die 44-Jährige für unmöglich: „Das wäre nur durch millionenteure Umbaumaßnahmen machbar, für die kein Geld da ist. Jede Durchmischung würde aber das gesamte Resozialisierungskonzept im Keim ersticken.“ Marco Carini