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Klimagipfel in WashingtonFür ein grünes Konjunkturpaket III

Die USA signalisieren einen Wandel in der Klimapolitik - und das ist auch gut so, wie ein alarmierender Bericht des Worldwatch-Instituts zum Treibhausgasausstoß belegt.

Die globale Durchschnittstemperatur liegt laut deutschem Wetterdienst nun 1,0 Grad über dem vorindustriellen Wert. Bild: dpa

Überraschender Termin für Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD): US-Präsident Barack Obama hat ihn am Montag am Rande des Klimagipfels in Washington getroffen. Und das, obwohl Gabriel die Amerikaner ermahnt hat, mehr Energie zu sparen.

Die 17 Nationen mit dem größten Kohlendioxid-Ausstoß waren nach Washington zum "Major Economies Meeting" gekommen, einem Verhandlungsgremium, das einst Präsident Bush als Kontrapunkt zur UN-Weltklimadiplomatie eingerichtet hat. Bushs Strategie: Statt über Reduktionsverpflichtungen wie bei der UNO zu reden, wollte er über Technologien zur Treibhausgas-Reduktion verhandeln. Und obwohl nun Obama dieses Forum erneut einberufen hat, machte Außenministerin Hillary Clinton klar, dass die USA mit der Politik der Vorgänger-Administration zu brechen gedenken. "Wir sind zurück im Spiel", sagte Clinton und rief die internationale Gemeinschaft zu einem "bedeutenden" Aktionsplan gegen den Klimawandel auf, an dem die USA "führend mitarbeiten" wollen.

Wie wichtig dies ist, verdeutlichen neue Daten des Deutschen Wetterdienstes: Demnach liegt die globale Durchschnittstemperatur nun 1,0 Grad über dem vorindustriellen Wert, 2007 hatte der Wetterdienst diese noch mit 0,9 Grad angegeben. "Ob die globale Erwärmung tatsächlich auf zwei Grad zu begrenzen ist, ist sehr fraglich", erklärte Wolfgang Kusch, Präsident des Wetterdienstes. Diese zwei Grad gelten unter Wissenschaftlern als gerade noch beherrschbar. Jenseits dieses Wertes ist egal, wie viel Klimaschutz der Mensch betreibt: Etwa durch das Auftauen der Permafrostböden werden dann automatisch Milliarden Tonnen Treibhausgas frei, die heute noch vom Frost eingeschlossen sind.

Auch das Worldwatch-Institut schlug am Dienstag in Berlin Alarm. Die EU will ihren Treibhausgasausstoß im Fall eines neuen Klimaschutz-Abkommens bis 2020 um 30 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. "Zu wenig, um den Klimawandel aufzuhalten", erklärte Worldwatch-Präsident Chris Flavin, der extra gekommen war, um den neuen Bericht "Zur Lage der Welt 2009" vorzustellen. Auch die Ankündigung der USA, einer Treibhausgasreduktion von 20 Prozent bis 2020 gegenüber 2005, sei noch wenig ambitioniert. Um das Zwei-Grad-Ziel noch zu schaffen, müsse der globale Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2050 um 85 Prozent gesenkt werden.

40 Klima-, Energie- und Wirtschaftsexperten haben für die aktuelle Ausgabe des Berichts "Zur Lage der Welt 2009" jüngste Daten und Fakten zum Klimawandel gebündelt. Und Wege vorgestellt, wie Nachfrage und Beschäftigung durch Maßnahmen zur Bekämpfung der Erderwärmung stimuliert werden können. Der Bericht empfiehlt zur Lösung von Wirtschafts- und Klimakrise den Ausbau erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau innovativer Stromnetze: Das helfe, den stotternden Motor der Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, halte gegenüber Importen von Öl, Gas, Kohle und Uran mehr Geld im Land und verringere die Risiken für das globale Klima durch eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Durch ökonomische Anreize und eine Reform der Steuer und Subventionspolitik könnten etwa im Gebäudesektor durch günstige Kredite für Hausbesitzer und Energiesparfonds für Geringverdiener effektiv saniert werden.

Folgt die Politik jetzt einem ökonomischen Fahrplan zum ökologischen Umbau der Wirtschaft, würden nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch bestehende Jobs gesichert werden, heißt es im Bericht. Gelingt diese Umstrukturierung jedoch nicht, drohten neben dem Verlust von Arbeitsplätzen infolge der Ressourcenerschöpfung auch schwerwiegende Folgen für Umwelt und Klima. Ottmar Edenhofer, einer der Vorsitzenden des Weltklimarates: "Die Chance für eine grüne Konjunkturbelebung müssen wir jetzt ergreifen!"

Vielleicht hilft dafür das Treffen von Gabriel und Obama: Das US-Konjunkturpaket enthält deutlich mehr grüne Anteile als das deutsche. Gabriel fordert deshalb auch ein "grünes Konjunkturpaket III".

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4 Kommentare

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  • QD
    Quigley down under

    By the way: The founder of the Worldwatch Institute, now director of the Earth Policy Institute ( http://www.earthpolicy.org ), Lester. R. Brown, wrote an interesting book: Plan B 3.0 ... the new (and a little bit better) edition of the older one.

  • BW
    be. wa.

    Den Bürgerinnen und Bürgern der USA (und nicht nur ihnen) müsste vielleicht noch viel deutlicher gemacht werden, dass sich z.B. Sonnenkollektoren für Warmwasseraufbereitung sogar in den nördlichen Bundesstaaten schon nach einigen Jahren durch die Einsparungen an Heiz- und Stromkosten finanziell amortisieren, wegen der äquatornäheren Lage viel eher als z.B. in Deutschland, aber sogar hierzulande.

     

    Positiver Nebeneffekt: Risiken, die Großkraftwerke z.B. wg. potenzieller Terroranschläge haben, werden durch solche dezentrale Standbeine der Energieversorgung entschärft.

  • W5
    Wählernr 5

    Die Grünen erzählen auch viel Mißt und handeln entsprechend von Lobbyisten beeinflußt.

    Aber wen will man sonst wählen? Die jetztige Regierung, allerdings alle anderen auch, agieren kurzfristig, um schnellst mögliche Gewinnmaximierung und grade aktuell, um Wählerstimmen bemüht. Alles andere schert die Politiker einen Dreck. Den wirklichen Erfolg, von Nigredo angesprochen, verdankt Ottonormalverbraucher Organisationen wie Greenpeace und Campact die unermüdlich Mißstände aufdecken und bekämpfen. Nur bekommt das kaum einer mit. Die Grünen gehen noch am weitesten in diese Richtung...

  • N
    Nigredo

    Auch wenn man kein Fan der Grünen ist, muss man zugestehen: Was die Grünen in Bezug auf DIE Zukunftstechnologie, nämlich die regenerativen Energien erreicht haben, und was die droße Koalition davon wieder verspielt hat, ist fast schon ein Grund die Grünen zu wählen. Denn während Opel seine Zukunft hinter sich hat, gibt es hier einen riesigen Markt und entsprechend viele Arbeitsplätze.

    Vielleicht sollte die Merkel weniger Gewicht auf das Klima in ihrer Partei legen und mehr auf das Weltklima