Klimagipfel in Kopenhagen: Straßentheater beleidigt Majestät
Dänemark führte vor 81 Jahren einen Paragrafen der "Majestätsbeleidigung" ein. Das nutzt die dänische Justiz zur Kriminalisierung der Klima-Proteste.
STOCKHOLM taz | Die dänische Justiz hat elf Greenpeace-AktivistInnen wegen "Majestätsbeleidigung" angeklagt. Sie sollen gegen den vor 81 Jahren eingeführten und seitdem nie angewandten Paragrafen 115 des Strafgesetzbuchs des dänischen Königreichs verstoßen haben.
Stein des Anstoßes ist ein Protesttransparent, das sie bei einem Empfang anlässlich des internationalen Klimagipfels in Kopenhagen entrollt hatten, zu dem die Monarchin eingeladen hatte. Ob das zuständige Gericht die Klage zulässt, ist noch unklar.
Die Straftat: In festlicher Abendkleidung war es der norwegischen Greenpeace-Aktivistin Nora Christansen und ihren Begleitern am 17. Dezember 2009 gelungen, Zutritt zum königlichen Gala-Empfang zu bekommen. Auf Polizei und Sicherheitskräfte hatten drei gemietete Luxuskarossen und ein Spielzeugblaulicht für 5 Euro ausreichend Eindruck gemacht, um die Greenpeace-Leute ohne nähere Identitätskontrolle ins Schloss Christiansborg gelangen zu lassen.
Erstaunlicherweise hatten dabei weder das Kfz-Kennzeichen "007", ein deutlich sichtbares Schild "Greenpeace-Delegation" an der Windschutzscheibe, noch ein Pkw-Aufkleber "Planetary Emergency - Greenpeace Authorized" Verdacht geweckt.
Von einer fast identischen Greenpeace-Aktion eine Woche vorher bei einem EU-Gipfel hatte man in Kopenhagen offenbar nichts gehört. Im Eingangsbereich des Schlosses konnte die Delegation ein knallgelbes Transparent mit der Schrift "Politicans talk, Leaders ACT" entfalten, bevor man sie festnahm. Die dänische Königin Margrethe II. bekamen sie nie zu Gesicht.
Nach 20-tägiger Untersuchungshaft waren die Greenpeace-AktivistInnen im Januar 2010 wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Reaktion der dänischen Justiz kommt nun fast 15 Monate später, initiiert vom dänischen Justizminister Lars Barfoed.
Greenpeace-Sprecherin Birgitte Lesanner wundert sich, dass dieses "Straßentheater" jetzt plötzlich als "Majestätsbeleidigung" gewertet werde, zumal es doch offensichtlich sei, dass man mit dieser Aktion nicht auf die Königin, sondern auf die Politiker gezielt habe. Wenn hier jemand angeklagt werden sollte, dann untätige Politiker, kommentiert auch Patrik Eriksson, Klima-Kampagnenchef von Greenpeace-Nord.
In der dänischen Innenpolitik, in Medien und der Bloggerszene hat die Anklage zu einer munteren Debatte geführt. Barfoed, gleichzeitig Vorsitzender der konservativen Regierungspartei, hatte erst vor ein paar Wochen verkündet, er betrachte Gott, König und Vaterland immer noch als konservative Grundwerte. Er plädierte dafür, den Strafrahmen für Majestätsbeleidigung von einem Jahr zu verschärfen.
Die rechtspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, Karen Hækkerup, nannte die Anklage "direkt lächerlich". Was man mit diesem "Paragrafen mit Wurzeln aus der Feudalzeit" machen sollte, sei, ihn schleunigst abzuschaffen, forderte die sozialpolitische Sprecherin der liberalen Regierungspartei Venstre, Ellen Trane Nørby.
Andere forderten die Einführung des Tatbestands der "Untertanenbeleidigung". Zeitungskommentatoren verwiesen auf allerlei Orden, die das Königshaus im Namen des dänischen Volks bereits vergeben haben soll: an Hermann Göring oder den rumänischen Exdiktator Nicolae Ceausescu.
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