Klima-Störung : Der Westen ist schuld
Indien fordert von den Industrieländern Umkehr. Selbst will das Land Emissionen erhöhen, um Armut zu senken
MUMBAI taz ■ In Indien wird das Thema Klimaschutz trotz drohender Vorzeichen wie schmelzender Gletscher, Dürren, Überschwemmungen und steigender Meeresspiegel kaum öffentlich debattiert. Schulterzuckend übersieht man gern den eigenen, bislang eher geringen Beitrag zu dem Problem und zeigt mit dem Finger nach Europa und Nordamerika. Denn historisch betrachtet geht die Belastung der bislang emittierten klimaschädlichen Gase vor allem auf das Konto der Industrieländer. „Wir erwarten von den Industrieländern, dass sie ihre Emissionen senken, denn wir müssen unsere Gasausstöße erhöhen, damit sich die Wirtschaft entwickeln und die Armut bekämpft werden kann“, sagte Dr. R. K. Pachauri, Direktor des Öko-Thinktanks „Tata Energy and Resources Institute“ (Teri) in Delhi der taz.
Allerdings unternimmt Indien auch eigene Anstrengungen, klimaschädliche Emissionen zu begrenzen. Der Ausbau regenerativer Energien wird seit mehr als fünfzehn Jahren durch ein eigenes Ministerium vorangetrieben. Heute ist Indien der drittgrößte Windkraftproduzent der Welt. Im Energieministerium arbeitet eine gesonderte Abteilung an der Verbesserung der Energieeffizienz in der Stromerzeugung, in Industriebetrieben und bei Konsumgütern, gefördert von der deutschen Entwicklungsagentur „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ). Längst besitzt das Land auch eine Agentur zur Steuerung des so genannten Clean Development Mechanism (CDM), der im Rahmen des Kioto-Protokolls den Emissionshandel zwischen Industrieländern und sich entwickelnden Ländern abwickelt. Indien gehört zu den führenden Anbietern von Klimagas-Gutschriften.
Doch das Centre for Science and Environment (CSE), das größte unabhängige Ökoinstitut des Landes, übt harsche Kritik an der bislang geübten CDM-Praxis. „Dieser Mechanismus ist aufgrund vieler umständlicher Genehmigungsverfahren sehr kompliziert“, klagt CSE-Chefin Sunita Narain. „Dadurch fallen hohe Transaktionskosten an. In meinen Augen ist das ganze Verfahren korrupt, denn es nützt in erster Linie Unternehmen in den Industrieländern.“
REGINE HAFFSTEDT