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Klima-Allianz plant Großprotest"Wir erwarten 6.000 Kohlekraftgegner"

Die Klima-Allianz will den "größten Antikohleprotest in der Geschichte Deutschlands" hinbekommen und mobilisiert für den kommenden Samstag in Hanau und Jänschwalde.

Die Erweiterung verhindern: Eons Kohlemeiler Staudinger bei Hanau. Bild: reuters

BERLIN taz Am Samstag will die Klimabewegung zeigen, dass sie eine Bewegung ist: Nach dem Klima-Camp in Hamburg ruft die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss aus 100 Verbänden und Vereinen, zu zwei Demonstrationen nach Jänschwalde und nach Großkrotzenburg. "Wir erwarten 6.000 Teilnehmer insgesamt", erklärt Elias Perabo von der Klima-Allianz. Das wäre "der größte Antikohleprotest in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland".

Am Standort des Kohlekraftwerks Staudinger bei Hanau in Hessen plant der Energiekonzern Eon einen neuen Kraftwerksblock mit 1.100 Megawatt Leistung. Nach Angaben der Klima-Allianz würde das den Ausstoß an dem Treibhausgas Kohlendioxid dort von 5 auf 9 Millionen Tonnen pro Jahr erhöhen. Das Lausitzer Braunkohlekraftwerk Jänschwalde des Energieunternehmens Vattenfall ist mit einem Ausstoß von jährlich rund 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid sogar Europas fünftgrößte Klimadreckschleuder. Vattenfall will die Braunkohleverstromung, die klimafeindlichste Form der Energiegewinnung überhaupt, in der Lausitz für weitere Jahrzehnte durchsetzen. Um genug Rohstoff für seine Kraftwerke zu haben, will der Konzern drei neue Braunkohle-Tagebaue aufschließen. Knapp 4.000 Menschen müssten umgesiedelt werden.

Die Orte für die Proteste sind aber nicht nur symbolträchtig, sondern auch Erfolg versprechend gewählt: In der Lausitz hatte das Bündnis "Keine neuen Tagebaue" im Frühjahr für eine Volksinitiative mehr als 26.000 Unterschriften gesammelt. Zwar lehnte der Brandenburger Landtag den geforderten mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ab, das Bündnis hat aber angekündigt, den nächsten Schritt direkter Demokratie in diesem Herbst in Angriff zu nehmen - ein Volksbegehren. Die Beteiligung an der Demonstration gilt deshalb auch als Testlauf dafür, wie die Abstimmung ablaufen könnte.

Auch in Hessen gibt es mit "Stopp Staudinger" eine aktive Bürgerinitiative, die in der Vergangenheit immer wieder die Baustellenzufahrt besetzte. Die Klima-Allianz erwartet hier deutlich mehr Teilnehmer, "einfach, weil der Ort zentraler liegt", sagt Perabo. Weniger als 5.000 Demonstranten wären "eine Enttäuschung". Hessens Schatten-Energieminister Hermann Scheer (SPD) wird hier ebenso sprechen wie der grüne Landtagsfraktionschef Tarek Al-Wazir und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD).

Neben der Klima-Allianz mobilisieren auch Gewerkschaften, Umweltverbände, Kirchen und die linken Parteien. Die Deutsche Umwelthilfe veröffentlichte eine Untersuchung der Kohlekraftwerksprojekte in Deutschland: Derzeit werden sechs Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 7.190 Megawatt gebaut. Geplant sind weitere 29 mit einer Leistung von knapp 30.000 Megawatt - mehr, als zur Versorgung Polens notwendig wäre.

Zwar behaupten die Kraftwerksbetreiber, alte Anlagen dafür stilllegen zu wollen. Der BUND-Energie-Experte Thorben Becker meint aber: "An keinem Standort werden in gleicher Höhe Kapazitäten abgebaut." Für Perabo steht fest: "Wird auch nur die Hälfte der angedachten Kraftwerke gebaut, kann Deutschland sein Klimaziel vergessen."

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8 Kommentare

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  • BG
    Bürger G.

    Na zum Glück waren es nur:

    2000 Irre in Großkrotzenburg und

    1100 Irre in Jänschwalde

     

    ...und sie waren wohl friedlich, wahrscheinlich war es dem SCHWARZEN BLOCK zu kalt und naß....

  • BG
    Bürger G.

    @Bark Wind: Sie schreiben: "H. Scheer glaubt z.B. in dieser Frage viel mehr an den Markt" na, dann brauchen wir ja auch nicht die 100.000.000.000 € als Subventionen in die Erneuerbaren sondern lassen es den MARKT regeln!!!!

     

    ;-)

  • BW
    Bark Wind

    Lieber Herr Schurz, Herausgeber ist zwar Eurosolar, daher interessegleietet (wie so gut wie jede Studie jenseits der Grundlageforschung, und sogar dort), aber die Studie wurde von Wissenschaftler_innen durchgeführt und keinesfalls irgendwie spekulativ falsche Annahmen gemacht. Das zu behaupten ist einfach eine unbewiesene Unterstellung.

     

    Mein Vorschlag, notfalls viel keynesianischer an die Sache heranzugehen ist ja übrigens nicht Teil dieser Studie, sondern kommt, wie gesagt, aus einer anderen Richtung (H. Scheer glaubt z.B. in dieser Frage viel mehr an den Markt als z.B. Lester Brown - und letztgenannter ist wahrlich kein Kommunist, so wenig J. M. Keynes oder etwa Roosevelt im II. Weltkrieg einer war - und ohne große staatliche Antriebe hätten die USA den Krieg zunächst vernichtend verloren - was auch immer danach gekommen wäre, wohl so 'was wie ein welt-'Bürgerkrieg' ...).

     

    Die Kostenfrage wird außerdem sehr oft falsch gestellt, weil sie unzählige Kosten einfach ignoriert, obwohl doch schon der "Stern Report" eigtl. vieles, und dabei noch nicht alles, deutlich gesagt hat vgl. z.B. http://www.guardian.co.uk/politics/2006/oct/30/economy.uk

  • BG
    Bürger G.

    @Bark Wind: Die EUROSOLAR-Landesstudie ist hinlänglich widerlegt! Sie ist übrigens eine Kopie eine Studie die die eine Firma im Pfälzischen erstellt hat (Scheer und seine Frau haben sich nochnichtmal die Mphe gemacht das Titelbild zu ändern!), die Windkrafträder, Solarmodule, Kleinstkraftwerkchen baut! Ein Schelm der Böses dabei denkt: Du unterliegt leider immer wieder der gleichen Lobby! ;-)

     

    Ich hoffe die Leute die gegen die Kohle demonstrieren jammern "morgen" nicht über die hohen Strompreise! ;-)

     

    und nochmal: wir müssen über kurz oder lang auf regenerative Energien umsteigen, wir brauchen aber Kohle und Kernkraft noch die nächsten 30 JAhre!

  • KS
    Karl Schurz

    @ Bark Wind

    ich halte den Ansatz der Verstaatlichung für genau den falschen Weg!

    Wer die Studie einigermaßen Kritisch betrachtet merkt folgendes.

    Der Herrausgeber ist wie auch der Name schon sagt Lobbist.

    Es wirden annahmen getroffen die meines Erachtens falsch und zu optimistisch sind.

    Zu dem sind einige der Erforderlichen Technologien nicht ausgereift oder Marktfähig.

    Besonders das Problem der Energiespeicherung ist bei weitem noch nicht effizient gelöst und vor allem unverhälnismäthig teuer.

    Wasserkraft ist weitestgehend ausgeschöpft oder mit sehr großen Ökologeschen einschnitten verbunden.

    Winkraft ist leider Windabhänig, das heißt es muss ein Geografisch sehr weiläufiger bereich zu einem Netz verbunden werden (Europa weit) um eine einigermaßen gesicherte Produktion dicher zu setellen. Oder es gehen bei flaute die lichert aus.

    usw.

     

    Auch der Begriff "Das Lausitzer Braunkohlekraftwerk Jänschwalde des Energieunternehmens Vattenfall ist mit einem Ausstoß von jährlich rund 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid sogar Europas fünftgrößte Klimadreckschleuder."

     

    ist so sachlich falsch!

    Sie mag zwar gemassen an dem CO2 Ausstoß die 5. größte sein. Produziert aber auch demendsprechende menden an elektrischer Energie.

    Viel wichtiger ist der Nutzungsgrad, wieviel Potenzielle energie wird in el. Energie umgewandelt. sind es nur 30% oder 50% darauf ist wert zu lehen und nicht auf die Menge CO2. Erhöht man durch neue Technologien und Modernisierung den Nutzungsgrad ist der Umwelt mehr geholfen als mit polemischen Begriffen wie "Klimadreckschleuder".

    Hirzu zum vergleich mit der gleichen Logik.

    Ein Auto transportiert 5 Personen mit 10 l/100km entspricht 2 l pp/100km.

    Ein Bus Transportiert 40 Personen für 30 l/100km entspricht 0,75 l pp/100km

     

    Nach der aussage im Beitrag wärde der Bus der Klimakiller mit weniger als der hälfte verbrauch.

    Schlicht nicht objektiv.

     

    Grüße

  • BW
    Bark Wind

    @ Locke: Zu meinen es seien Sachzwänge, die keine Alternativen zulassen, ist ein Irrtum.

    Lesen sie z.B. einfach 'mal die

    EUROSOLAR-Landesstudie für eine vollständige Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien in Hessen, veröffentlicht im Januar 2008, z.B. hier als pdf:

    http://www.hermannscheer.de/de/index.php?option=com_content&task=view&id=560&Itemid=159

     

    Tatsächlich könnte der Umstieg auf Erneuerbare Energieversorgung sogar noch schneller gehen.

     

    Lester Brown vom Earth Policy Institute hat 'mal bei einer Podiumsdiskussione zurecht darauf hingewiesen, dass die Staaten hier quasi so handeln sollten, wie sie sonst im Kriegsfall handeln, d.h. mit einer groß angelegten Mobilisierung, einer Koordinierung verschiedener Kapazitäten in Forschung, Wirtschaft etc. Wenn Privatunternehmen nicht bereit sind, entsprechend einzusteigen können ja durchaus neue Unternehmen, ggf. eben staatliche, gegründet werden, z.B. für Herstellung von Solarmodulen, Windrädern etc. Auch die Ausbildung von Fachkräften könnte in gezielten Schulungsprogrammen forciert werden (immerhin gibt es viele Erwerbslose mit sowohl handwerklichen wie intellektuellen Fähikeiten). Es sind politische Entscheidungen, gegenwärtig aber noch allzu falsche.

  • L
    Locke

    Ich selbst arbeite im Bereich der erneuerbaren Energien, bin also hoffentlich über den Verdacht des Lobbyismusses erhaben. Was meiner Meinung nach immer gerne übersehen wird, ist die Tatsache, dass Konzerne Kraftwerke nicht aus Boshaftigkeit bauen, sondern um Menschen mit Strom zu versorgen.

     

    Der Kraftwerkspark in Deutschland ist überaltert, der Strombedarf wächst stetig. Innerhalb der nächsten 20 Jahren muss knapp die Hälfte der Kapazität erneuert werden, sonst ist Deutschland nicht mehr in der Lage sich selbst mit Strom zu versorgen.

     

    Nun ist es einfach die unbeliebte Atom- und Kohlekraft prinzipiell abzulehnen und auf erneurebare Energien zu verweisen. Auf diese Weise beruhigt man zwar sein ökologisches Gewissen, eine gangbare Alternative stellt es allerdings nicht dar.

    Auch bei massivem Ausbau der regenerativen Energien -den ich eindeutig befürworte- kommen wir mittelfristig nicht ohne konventionelle Kraftwerke aus, ob uns das nun in unsere Klimaziele passt oder nicht. Braunkohle ist unser einziger heimischer Energieträger, der uns wenigstens ein wenig Energieunabhängigkeit bringt - spätestens seit dem Georgienkonflikt sollte jedem bewusst sein was das wert ist.

  • BW
    Bark Wind

    Ja, der Protest ist völlig richtig. Es erfolgt zur Zeit eine energieolitische Weichenstellung, und zwar eine falsche, zugunsten von Kohle u. Atomstrom, und die Milliarden, die in Kohlekraftwerke etc. gesteckt werden (von den Kosten der Folgen der Klimaerwärmung, Atommüllproblem etc. gar nicht zu sprechen) gehen den Erneuerbaren Energien verloren.

     

    Dabei hat erst Greenpeace am Mittwoch eine neue Studie dazu veröffentlicht: Rund 71 Millionen Haushalte können demnach zwischen 2020 und 2030 mit Windenergie versorgt werden. "Durch die Nutzung der Windenergie in der Nordsee können wir den Bau von etwa 40 Atom- oder Kohlekraftwerken in Europa vermeiden." (A. Böhling), Quelle:

    http://www.greenpeace.de/themen/energie/nachrichten/artikel/offshore_energielieferant_der_zukunft/

     

    Auch der Ausbau von geeigneten Dächern mit Solarmodulen muss viel schneller gehen, z.B. schon allein die vielen Supermärkte, Lagerhallen etc. mit großen unverschatteten Dächern in sonnenreichen Gegenden Süddeutschlands etc, noch mehr natürlich in Südeuropa ...