: Kleines Pro-Gott-Pamphlet
Der Theologieprofessor Alister McGrath bietet in „Der Atheismus-Wahn“ eine kluge Antwort auf Richard Dawkins „Gottes-Wahn“
Die Retourkutsche kopiert die aggressiven Sonnenstrahlen des Originals und auch den knalligen Titel: „Der Atheismus-Wahn“, prangt auf dem Titelblatt. Es soll eine Antwort auf den „atheistischen Fundamentalismus“ des Evolutionsbiologen Richard Dawkins sein. Der hatte sich ja mit seiner dicken Kampfschrift „Der Gotteswahn“ zum unangefochtenen Hohepriester des „Neuen Atheismus“ aufgeschwungen. Gottes Bodenpersonal kann das natürlich nicht unwidersprochen lassen.
Nimmt man das kleine Pro-Gott-Pamphlet zur Hand, das der Oxforder Theologieprofessor Alister McGrath mithilfe seiner Frau Joanna Colligcutt-McGrath verfasst hat, ist man somit auf das Schlimmste gefasst: auf Fundi-Eiferertum härtester Sorte. Doch schnell ist man dann positiv überrascht: McGrath ist ein bedächtiger, kluger Gläubiger, der seine Religiosität vernünftig zu begründen versucht. Und der die vielen verletzlichen Stellen, die ihm Dawkins Argumentation bietet, geschickt ausnützt.
Denn vor allem Dawkins naturalistischer Szientismus bietet Angriffspunkte genug. „Wissenschaftlich“ ist für ihn ja nur, was den Verifizierungs-Falsifizierungs-Kategorien der experimentalen Naturwissenschaften entspricht. Auf Geistes-, Gesellschafts- und Humanwissenschaften angewandt, hat das schnell etwas sehr Bemühtes.
Man könnte sogar sagen, Dawkins „glaubt“ an die Naturwissenschaften wie andere an Gott, wenn wir unter „Glauben“ salopp eine gewisse Engstirnigkeit verstehen. McGrath versteht es daher, geschickt so zu argumentieren, dass er als Gläubiger allen vernünftigen Abwägungen offen, Dawkins dagegen als rechthaberisch erscheint. In der Folge zeiht er seinen Antipoden des „atheistischen Fundamentalismus“.
Nun hat Dawkins freilich noch niemanden gesteinigt, auch hat noch kein Naturwissenschaftler bei allen Fragwürdigkeiten des Positivismus wegen seiner Theorien Glaubenskriege vom Zaun gebrochen. Aber auch aus einem anderen Grund geht der Hohn gegen die wissenschaftlichen Anti-Gottes-Beweise etwas ins Leere. In seinem milden Christenton gesteht McGrath zu, dass es für die Existenz Gottes keine „Beweise“ gibt, auch wenn Millionen Menschen das Transzendente „spüren“.
Nur, so McGrath, gäbe es auch für die Nichtexistenz Gottes keine Beweise. Das ist an sich formal richtig, aber es ist doch ein Unterschied, ob man an etwas glaubt, dessen Existenz weder offensichtlich noch wahrscheinlich ist, oder ob man annimmt, wenn etwas weder offensichtlich noch wahrscheinlich ist, dann läge es auch nahe, dass es nicht existiert. Mit Verlaub: An Gott zu glauben ist schon eine Torheit größeren Ausmaßes, als nicht an ihn zu glauben.
So geht es weiter mit McGraths Milde: Gott dürfte man sich nicht anthropomorph als Schöpfergott mit menschlichen Eigenschaften vorstellen; die Religionen können zwar Eiferertum nach sich ziehen, aber als lebendiger Glaube bieten sie den Menschen Halt. Und überhaupt: Hätten sie nicht auch viele positive Seiten, wäre doch gar nicht einsehbar, warum sie sich so hartnäckig halten, argumentiert der Theologe.
All dies ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Nicht alles, was es seit langem gibt, hat deshalb schon seine positiven Seiten – Sklaverei, Mord und Totschlag gibt es auch schon lange. Und dass der Gott, den die neueste liberale Theologie präsentiert, dieser Gott, der wie Feinstaub oder Bakterien überall und nirgends ist und sich prima mit allem versöhnen lässt, sich mit den Gottesbildern aller bisherigen Menschengenerationen schlägt, ist zwar erfreulich, sollte aber auch zu denken geben. Dieses moderne Christentum verhält sich zu allen bisherigen Gottesvorstellungen selbst „atheistisch“. Auch den Feinstaub-Gott zu vergessen, wäre da nur mehr ein letzter Schritt.
ROBERT MISIK
Alister McGrath (mit Joanna Collicutt-McGrath): „Der Atheismus-Wahn. Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus“. Gerth Medien, München 2008, 150 Seiten, 9,95 Euro