: Kleiner Bahnhof für Rieger
Nach der Hotel-Schlappe in Delmenhorst sucht Nazi-Anwalt Jürgen Rieger nach einer neuen Immobilie für sein Schulungszentrum. Ein Makler aus Melle will ihm jetzt einen Bahnhof verkaufen
Im Jahr 1999 kaufte Jürgen Rieger einen Gebäudekomplex mit Kino in Hameln. Als er dort 2005 eine Tagung mit bekannten Nazi-Größen abhalten wollte, wurde ihm diese untersagt. 2003 erwarb er den Heisenhof in Dörverden. In Delmenhorst verhinderte die Stadt mit dem Kauf des „Hotels am Stadtpark“, dass Rieger das Gebäude erwarb. Wegen Bedrohung eines Journalisten hat das Landgericht Verden Rieger erst am Donnerstag zu einer Geldstrafe von 1.600 Euro verurteilt. Das Gericht lehnte eine Revision ab. Der Fall lief bereits durch mehrere Instanzen. Rieger hatte jedes Urteil angefochten. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, dann wäre es die vierte Strafe für den Rechtsanwalt. STL
VON STEFFEN MEYER
Noch ist das Bahnhofsgebäude im niedersächsischen Melle bei Osnabrück ziemlich unscheinbar. Hinter weißer Fassade herrscht öder Leerstand. Nur ein Chinese kocht im früheren Fahrkartenschalter und liefert fernöstliche Küche aus. Der bei der Stadt angestellte Zivi haust in der ersten Etage. Regelmäßig beschwert er sich beim Dienstherren über das miserable Quartier.
In Zukunft jedoch sieht die Realität hinter den wuchtigen Mauern anders aus. Setzt Jürgen Rieger – Rechtsanwalt und NPD-Hetzer aus Hamburg – seine Pläne um, werden bald rechtsextreme Parolen geschwungen. In dem etwa 140 Jahre alten Bahnhofsgebäude will er sein neues Nazi-Schulungszentrum gründen.
Die Verkehrsanbindungen sind ideal. Gegenüber im Hotel „Bayrischer Hof“ könnte die braune Chefetage schlafen. Der NPD-Nachwuchs würde direkt im Bahnhof übernachten. Die teilweise abgebrannten Baracken der Güterabfertigung und ein benachbartes Grundstück eröffnen Perspektiven für weitere Baumaßnahmen.
„Bei wöchentlich bis zu hundert Jugendlichen ein wirtschaftlicher Boom für Melle. Die übernachten hier. Verzehren viel. Besser geht es nicht“, sagt Carl Schimweg. Der 78-jährige Rentner aus dem Meller Stadtteil Gesmold steht voll hinter seinem Sohn. Stephan Schimweg hat den Bahnhof vor 19 Jahren für kleines Geld erworben. In den Anfängen will der 42-Jährige eine halbe Million Euro investiert haben. Zu sehen ist davon jetzt nichts mehr. Statt dessen hält sich in der Stadt das Gerücht über finanzielle Schwierigkeiten des Besitzers. Seit 2006 verhandelt Schimweg mit der Verwaltung über den Verkauf des „Filetstücks“. Der hohe Preis schreckt bisher ab.
NPD-Anwalt Rieger will laut Schimweg jedoch 800.000 Euro hinblättern. „Der Vertrag wird nächste Woche unterschrieben“, sagt er. Zuerst sollte dies am kommenden Montag geschehen. Jetzt aber wurde der Termin verschoben. Das genaue Datum ist nun geheim. Die Vertragsunterzeichnung soll nicht mehr gestört werden. Ist die Tinte auf dem Papier getrocknet, besitzt Rieger einen etwa 800 Quadratmeter großen Bahnhof inklusive angrenzendem Bauland. Insgesamt rund 3.500 Quadratmeter. Eine neue Heimat für zukünftigen Nazi-Nachwuchs mitten im Meller Zentrum, der drittgrößten niedersächsischen Flächenstadt.
Bedenken beim Verkauf an den rechtsextremen Rieger hat Schimweg nicht. „Ich werde am 17. September 43 Jahre alt und mache mir dadurch selbst das schönste Geburtstagsgeschenk.“ Endgültig sei der Immobilienmakler seine Sorgen los. Bisher hat er den Bahnhof als „sein Kind“ bezeichnet. Jetzt will er ihn unbedingt abstoßen. Die Belastungen und Verantwortung seien zu groß.
Strikt verneint Schimweg den Vorwurf, er wolle den Preis künstlich hochtreiben, obwohl mit dem Verkauf an Rieger enormer Druck auf die Verwaltung ausgeübt wird. „Ich habe die Stadt schon letztes Jahr über meine Pläne informiert.“ Josef Stock, niedersächsischer Innenminister a.D. und damaliger Bürgermeister, hätte ihn nur belächelt. Der Verdacht, nach Delmenhorster Vorbild zu agieren, besteht aber weiterhin. Zwar bestätigt Jürgen Rieger: „Ja, ich werde das Objekt erwerben.“ Doch alleine der Umstand, dass Schimweg erst an den NPD-Agitator herangetreten ist, nachdem der Verkauf des Delmenhorster „Hotels am Stadtpark“ gescheitert war und die Immobilie für einen überhöhten Preis von anderen Käufern erstanden wurde, lässt Preistreiberei vermuten.
Der Stadt angeboten hat Schimweg den Bahnhof zuletzt für 790.000 Euro. „200.000 Euro wären für uns aber die Höchstgrenze. Schließlich gehen wir mit dem Geld des Steuerzahlers nicht verantwortungslos um“, sagt Sabine Vollmer, Pressesprecherin der Stadt. „Wir sind nicht erpressbar“, sagt Bürgmeister André Berghegger. Die Kaufabsicht von Rieger würde die Verwaltung aber nicht veranlassen, die deutlich überhöhte Forderung von Schimweg zu akzeptieren. „Wir sind uns sicher: Zwischen ihm und dem NPD-Mann bestehen Absprachen.“ Darauf will die Stadt Melle aber nicht hereinfallen.