Klaus Wowereit über die Zukunft der SPD: "Die Arbeit beginnt erst"
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende sagt immer noch: "Die SPD hat vieles richtig gemacht - und darauf sind wir stolz." Er fordert "eine linke, aber immer auch realitätsnahe Politik"
taz: Herr Wowereit, die SPD hat bei der Bundestagswahl eine historische Niederlage erlitten. Was hat sie falsch gemacht?
Klaus Wowereit: Zunächst einmal hat die SPD vieles richtig gemacht, und darauf sind wir stolz. Bei einigen Themen, etwa im sozialen Bereich, haben wir nicht vermitteln können, dass die SPD der richtige Ansprechpartner ist.
Ach, ist das noch immer ein Vermittlungsproblem?
Wenn man eine Position nicht vermitteln kann, muss man sie inhaltlich überprüfen. Das braucht Zeit, aber die Antworten werden wir geben. Bei der Rente geht es zum Beispiel nicht um die Frage 67 oder 65 Jahre, es geht um den Kampf gegen die Altersarmut.
Was muss die SPD ändern?
So einfach läuft Politik nicht. Die Volksparteien haben an Ansehen verloren, auch durch die große Koalition. Die politische Landschaft hat sich verändert, entsprechend vielschichtig sind die Antworten. Da können Sie nicht mal eben mit den Fingern schnipsen.
Welche Rolle spielt die neue SPD-Führung?
Wir haben auf dem Parteitag einen Vertrauensvorschuss bekommen. Ihm müssen wir gerecht werden. Die Arbeit beginnt also erst.
Diesen Vertrauensvorschuss haben in den letzten 15 Jahren schon ein halbes Dutzend neuer SPD-Chefs bekommen. Warum soll es diesmal klappen?
Auch bei der einen oder anderen Tageszeitung wird gelegentlich die Führungsspitze ausgewechselt. Aber im Ernst: All unsere Vorsitzenden haben hart für die SPD gearbeitet. Die Arbeit liegt mit diesem Parteitag nicht hinter uns, sie liegt vor uns.
Wie steht es um die neue Einigkeit, wenn die Generalsekretärin Andrea Nahles nicht mal 70 Prozent bekommt?
Was heißt: nicht mal? Wir haben auch schon Generalsekretäre mit gut 50 Prozent bestimmt. Andrea Nahles hat zum Gelingen dieses Parteitags sehr viel beigetragen. Insofern ist das Ergebnis ungerecht.
Bedeutet dieses Wahlergebnis: Einfach nur nach links, das ist auch keine Lösung?
Wenn 70 Prozent nach links wollten, wäre das immer noch eine breite Mehrheit. Aber es ist müßig, über die Motive der Delegierten zu spekulieren.
Die SPD-Linke hat gegen die Parteispitze die Forderung nach der Vermögensteuer durchgesetzt. Rückt die SPD also doch nach links?
Sie sollten es sich mit solchen Einordnungen nicht zu leicht machen. Aufarbeitung von Fehlern und auch einzelne Kurskorrekturen: ja. Aber in vielen Punkten bleibt die Politik der SPD auch richtig und unverändert - etwa in der Bildungspolitik oder beim Mindestlohn. Und dass Parteitagsmehrheiten die Vermögensteuer fordern, ist auch nicht eben neu. Entscheidend finde ich, dass wir an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Für eine linke, aber immer auch realitätsnahe Politik. INTERVIEW: RAB, SR
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern