: „Klassenkämpfer“ ein Geheimdienstler?
■ „Klasse gegen Klasse“-Mitglied jahrelang unter Schutz des US-Geheimdienstes? / Zusammenhänge mit Kaindl-Mord
Kommen die Ermittlungen gegen „Klasse gegen Klasse“ nicht voran, weil einer der Verdächtigen jahrelang als Informant für den amerikanischen Geheimdienst tätig war? Entsprechende Hinweise fand der polizeiliche Staatsschutz bei seiner Fahndung nach den Urhebern einer Reihe von Anschlägen in Kreuzberg und Zehlendorf, verlautete aus Kreisen der Polizei. Der Mann soll zumindest bis Ende der achtziger Jahre Berichte aus der autonomen Szene Kreuzbergs geliefert haben. Offenbar wollten die US-Geheimdienstler vor allem über mögliche Anschläge auf amerikanische Einrichtungen informiert sein. Die Polizei hatte gegen den Mann in der Vergangenheit mehrfach wegen verschiedener Straftaten ergebnislos ermittelt. Der Grund: Die bis zur Einheit in Berlin weisungsbefugten amerikanischen Stellen hätten jeweils der Innenbehörde und der Polizeiführung signalisiert, die Verfahren fallenzulassen. Dies habe sich nach Angaben eines Informanten aus der Polizei erst kürzlich aus den Unterlagen ergeben. Ohne Antwort sei die daraufhin gestellte Anfrage der Ermittlungsbehörden geblieben, Informationen über Art und Umfang der Tätigkeit des V-Mannes von amerikanischen Stellen zu erhalten.
Anders als von Polizeipräsident Saberschinsky am Montag im Innenausschuß dargestellt, ist „Klasse gegen Klasse“ kein „Kunstprodukt“, sondern eine Gruppe von konspirativ arbeitenden Männern. Ein Mitglied der etwa sechsköpfigen Gruppe soll sich nach Informationen der taz inzwischen in die Türkei abgesetzt haben. Hinweise der Polizei, die Gruppe bekenne sich zu insgesamt 58 Anschlägen, sind unrichtig. Die mit kruder stalinistisch-marxistischer Ideologie hantierende „Klasse gegen Klasse“ hat lediglich in einer Broschüre, die offenbar auf Kosten eines bedrohten Kreuzbergers Restaurantbetreibers gedruckt wurde, eine Vielzahl von „proletarischen Klassenangriffen“ aufgelistet – dafür aber keineswegs die Urheberschaft reklamiert.
Ermittelt wird gegen „Klasse gegen Klasse“ offenbar auch im Zusammenhang mit der Ermordung des Funktionärs der rechtsextremen „Deutschen Liga“, Gerhard Kaindl, im April 1992. Die Gruppe, zu der ein Türke gehören soll, habe das Treffen der Rechtsextremen in dem Neuköllner China-Restaurant ausgespäht und diese Information an die späteren Täter weitergegeben. Die Polizei hat in der letzten Woche im Zusammenhang mit diesem Mord bislang vier Personen festgenommen.
Wie erst jetzt bekannt wurde, gab es vor zehn Tagen im Zuge der Ermittlungen gegen „Klasse gegen Klasse“ mehrere Hausdurchsuchungen in Kreuzberg. Anlaß seien gezielte Hinweise eines Informanten gewesen, heißt es aus der Polizei. Gesucht wurden Belastungsmaterial und Waffen. Der Informant hatte davon gesprochen, daß die Gruppe zahlreiche Handgranaten und Minen besitze. Mit einer aus dem Ostblock stammenden Handgranate war vor vier Wochen das Kreuzberger Restaurant „Auerbach“ verwüstet worden. taz
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