Kino-Doku über Bauern in Paraguay: Nur die Sojapflanze überlebt
„Raising Resistance“ erzählt vom Kampf der Kleinbauern Paraguays gegen den Soja-Boom. Den Regisseuren ist ein ergreifender Dokumentationsfilm gelungen.
„El modelo sojero ist Tod am Volk“, hat eine paraguayische Frau auf eine kleine Karte geschrieben, die sie als Transparent vor sich her trägt.
Das „modelo sojero“, das „Modell Soja“, ist einer der wichtigsten landwirtschaftlichen Trends der letzten Jahrzehnte. Immer größere Flächen vor allem in Lateinamerika werden extensiv mit Soja bebaut, dagegen haben die traditionellen Kleinbauern, die Campesinos und Campesinas, nichts zu setzen. Sie bauen weiter ihre Erdnüsse an, während die Giftschwaden der Pestizide von den Sojaplantagen herüberwehen und ihre Kinder erblinden lassen.
In ihrem Dokumentarfilm „Raising Resistance“ zeigen Bettina Borgfeld und David Bernet, wie sich der Widerstand gegen die alles dominierende Sojaindustrie formiert. Es wird aber auch gezeigt, dass die Kräfte, gegen die hier Widerstand geleistet werden soll, nahezu unüberwindlich sind.
Denn hinter dem Sojaboom stehen mächtige Interessen der internationalen Düngemittel- und Biotechnologieunternehmen, die das Erbmaterial von Soja so verändert haben, dass es die Behandlung mit besonders giftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln übersteht. Das transgene Soja überlebt als einzige Pflanze diese Prozedur, aber auch hier kommt es immer wieder zu unerwarteten Veränderungen der Reaktionsweisen.
Mit Soja zur neuen Tigernation
Borgfeld und Bernet haben mit Vertretern der Agrarindustrie gesprochen, sie haben Tradern über die Schulter geschaut, die mit Sojakontrakten handeln („Solange die Lage in Brasilien und Argentinien stabil ist, sind wir zufrieden“), vor allem aber haben sie unter den Bauern gefilmt, die den Preis für den Aufschwung der neuen Tigernationen im Welthandel mit Soja zahlen.
Sie erscheinen hier als besonders verletzliche Kreaturen, in deren Körpern sich das Gift breitmacht, das gegen Unkraut eingesetzt wird – beinahe könnte man den Eindruck bekommen, für die Großgrundbesitzer sind auch sie Unkraut.
Natürlich haben weder die Bauern noch die Filmemacher von „Raising Resistance“ eine Antwort auf die Frage, die hinter dem manifesten Problem steht: Wie kann man sechs Milliarden Menschen ernähren? Die Verfahrensweisen der Subsistenzbauern werden dazu wohl nicht reichen, aber die Produktivität der Agrarindustrie ist eindeutig zerstörerisch.
Der Präsident von Paraguay bringt das Dilemma auf den Punkt: Hier funktioniert weder eine Logik des Entweder-oder noch von Sowohl-als-auch. Eine einfache Maßnahme steht aber allen Konsumenten hierzulande offen: Fleisch aus industrieller Produktion beruht zu einem großen Maß auf dem Eiweißspender Soja. Wer darauf verzichtet, interveniert zumindest auf einer individuellen Ebene gegen die „Bombe“, als die Soja von den Betroffenen erfahren wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader